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    Wie Entwickler und Wohnungsunternehmen krisenresistenter werden


    Immobilienfirmen und Projektentwickler sollten spätestens in der derzeitigen Situation ihre Firma resilienter machen. Inwiefern sie Krisenmanagementtools dabei unterstützen und wie diese erarbeitet werden können, darum geht es in dem vorliegenden Beitrag.

    Nahezu alle Projektentwickler sowie Wohnungsunternehmen, die ihren Bestand durch Neubau vergrößern möchten, spüren die Auswirkungen der Multikrisen aus gestiegenen Zinsen und höheren Bau- und Materialkosten. Bisherige Projektkalkulationen laufen aus dem Ruder. Gerade im Neubaubereich ging die Käufernachfrage stark zurück, weil weniger Verbraucher und Investoren eine Finanzierung stemmen können und die Anlageklasse Immobilien im Vergleich zu Opportunitäten kaum mehr wettbewerbsfähige Rendite erbringt. Nicht wenige Unternehmen stellt dies insbesondere vor finanzielle Herausforderungen. Der Verkauf begonnener Projekte ist selten eine Option, weil die Preise gesunken sind und oft unter den Herstellungskosten liegen.

    Unternehmen, die Immobilien bauen, sanieren und umnutzen, benötigen nun eine Prolongation der Finanzierung, häufig verbunden mit einer Nachfinanzierung. Weitere Herausforderungen kommen hinzu, wie die Gefahr von erschwerten Refinanzierungsmöglichkeiten sowie Wertverluste bestimmter Objektarten. Selbst bekannte, große Unternehmen, wie Gerchgroup, Development Partner, Centrum, und viele Gesellschaften der Signa-Gruppe sind aufgrund dieser unerwarteten Veränderungen in finanzielle Schieflage geraten oder mussten Insolvenz anmelden.

    Man darf allerdings nicht übersehen, dass viele Immobilienfirmen während der Boomjahre zwischen 2010 und Anfang 2022 wichtigen Unternehmensbereichen, wie Controlling und Projektkalkulationen, nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkten oder unaufmerksamer wurden. Bis dahin galt die Erwartung, dass gestiegene Kosten durch höhere Verkaufserlöse kompensierbar sind. Nicht immer wurden Kenndaten erhoben und regelmäßig ausgewertet. Auch kritischen Szenarien in Projektkalkulationen wurde selten Beachtung geschenkt. Der Blick erfolgte, je länger das Nullzinsszenario andauerte, durch eine „rosarote Brille“. Diesen Fehler machten nicht nur kleine, sondern auch größere Immobilienunternehmen. Das rächt sich nun. Nicht nur für die Bewältigung der aktuellen Krisensituation sind diese Daten unerlässlich, sondern auch für anstehende Bankengespräche sowie künftige strategische Entscheidungen.

    Wir marktfähig sind Objekte und Nutzungsarten?
    Wichtig ist es nun, gegenzusteuern und neue Strukturen in Unternehmen zu schaffen. So sollten Entwickler bei geplanten Projekten genauer analysieren, wie langfristig die Nutzungsarten ihrer Objekte sind. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es für sie eine (vorübergehende) Lösung sein kann, Neubauten in der aktuellen Lage nicht zu veräußern, sondern im Bestand zu halten und zu vermieten. In den zurückliegenden Jahren mussten sich viele Bauherren um die Verkaufbarkeit ihrer Bauvorhaben keine Sorgen machen. Die Zahl der Nachfrager war groß und viele zu Kompromissen bereit. Das hat sich geändert.

    Wenn Unternehmen die Defizite bei ihren Kennzahlen und in ihrer Unternehmensstrategie aufarbeiten, bessere Finanzierungs-,Markt- und Nachfrageranalysen erarbeiten sowie einen Krisenmanagementplan schaffen, können sie die aktuelle Krise überwinden und sind für künftige Ausnahmesituationen resilienter aufgestellt. Ein markantes Kriterium wird dabei die Eigenkapitalsituation sein. Unternehmen, die mit einem hohen Leverage arbeiten, das heißt mit wenig Eigen- und hohem Fremdkapital, werden weniger Spielraum zum Überleben haben – außer, sie erhalten externes Eigenkapital, das oft mit der Abgabe von Anteilen verbunden ist.

    Wie sehr sich die Marktlage aufgrund der Zinswende seit Anfang 2022 für Investoren verändert hat, verdeutlicht ein abstraktes Rechenbeispiel: Während der Niedrigzinsphase konnten Objekte gewinnbringend zum 25-fachen (und höher) des Jahresnettomietertrags veräußert werden. Der Kreditzins lag zumeist bei etwa 2 Prozent p. a., die Tilgung bei ebenfalls 2 Prozent. Das entsprach einem Kapitaldienst von jährlich insgesamt 4 Prozent (100/4 = Faktor 25). Damit war für ein Neubauprojekt mit 1 Mio. Euro Reinertrag ein Kaufpreis zum 25-fachen Faktor des Miet-Cashflows darstellbar, also von circa 25 Mio. Euro. Der Einfachheit halber wurden in diesem Beispiel auf zusätzliche Einflussfaktoren wie Objektqualität, Ausstattung, Lage, Verwaltungskosten etc. verzichtet.

    Im aktuellen Zinsmarkt ist für ein vergleichbares Objekt bei gleichen Bedingungen rechnerisch nur noch ein Verkaufspreis von 14 Mio. Euro denkbar. Die Zinserhöhung führte zu einer Minimierung des Kaufpreisfaktors vom 25- auf das 14-fache (100/7 entspricht Faktor 14 gerundet) des Rohmietertrags (Kreditzins von 2 auf 5 Prozent bei gleicher Tilgung von 2 Prozent entspricht Kapitaldienst von 7 Prozent). Das Immobilienprojekt wäre also nur dann gewinnbringend veräußerbar, sofern die Gesamtinvestitionskosten unter 14 Mio. Euro liegen würde. Das ist bei Neubauentwicklungen unrealistisch.

    Derzeit ist zu erkennen, dass die Kaufpreisvorstellungen von Anbietern und potenziellen Erwerbern weit auseinanderliegen. Wenn sich diese Spanne wieder auf ein neues belastbares Niveau angenähert hat, wird auch die Zahl der Transaktionen wieder steigen.

    Mehrere Szenarien zum Krisenschutz denkbar
    In dieser neuen Konstellation sind verschiedene Lösungen denkbar. Das Projekt könnte mit Verlust veräußert werden. Das kann sinnvoll sein, sofern auch künftig mit einer weiter zurückgehenden Nachfrage seitens der Mieter und Käufer zu rechnen ist und ein andauernder Wertverlust des Objekts droht. Besser ein rascher Verkauf zu einem überschaubaren Verlust als eine aufgeschobene Veräußerung zu einem größeren finanziellen Schaden. Unter Umständen kann eine Umwandlung das Projekt marktfähig machen. So kann eine Büroimmobilie an einen Betreiber von möblierten Longstay-Appartements vermietet oder verkauft und gemäß den neuen Bedürfnissen umgebaut werden.

    Zusätzlich kann mit der Bank über eine Kreditprolongation verhandelt werden. Das wird vermutlich nur gelingen, wenn in Zukunft mit steigenden Kaufpreisen zu rechnen ist. Zudem kann, drittens, das Projekt in den Eigenbestand übernommen werden. Banken werden dies allerdings nur bei einem gleichzeitig hohen Eigenkapitaleinsatz des Entwicklers begleiten. Die Institute sollten in der aktuellen Situation unbedingt frühzeitig in die überarbeitenden Finanzplanungen einbezogen werden. Dabei muss gegenüber den Bankenvertretern volle Transparenz herrschen.

    Wohnungsunternehmen und Entwickler, die in den zurückliegenden Jahren ihr internes Controlling vernachlässigt haben, müssen nacharbeiten. Wenn sie auf Nachfrage der Bank nicht in der Lage sind, kurzfristig die notwenigen Daten für eine Prolongation zu liefern, wird die Bank zurückhaltend agieren. Hierzu gehören unter anderem Unterlagen zur Liquiditätssituation und Kostenstruktur des Unternehmens, offene Forderungen und Verbindlichkeiten, Banken-/Avalspiegel, Vertriebsstatus, Vermietungssituation, Bautenstand und Kostensicherheit der Projekte. Hinzu kommt, dass Finanzierer im Immobiliensektor mittlerweile strengere Richtlinien bei der Kreditvergabe haben. Hohe Wertanstiege gehören mittlerweile bei nahezu allen Nutzungsarten der Vergangenheit an. Auch wurden seitens der Bauherren zu selten Puffer für Markt- und Kostenveränderungen eingeplant. Das gilt es ebenfalls zu überarbeiten.

    Weitere Annahmen müssen für das Bankgespräch sowie die künftige Unternehmensausrichtung hinterfragt werden. Mit der starken Verbreitung von Homeoffice werden weniger Büroflächen nachgefragt, vor allem nicht zeitgemäße Flächen haben es auf dem Markt schwer. Sind davon auch Objekte des eigenen Portfolios betroffen, und wird sich die Situation wieder bessern? Der gewachsene Onlinehandel erschwert die Vermietung von Ladenlokalen, oft gelingt sie nur mit Mietreduktionen und Mieter-Benefits. Die größte Transaktionsbremse bei Investoren, die Zinserhöhungen, erlaubt häufig nur noch Verkäufe mit Preisabschlägen. Wie weit kann man dabei als Veräußerer gehen?

    Für eine professionelle Bewertung der Projekte und des Bestandsportfolios sollten externe Experten, wie Gebäudegutachter, Unternehmens- und Steuerberater, hinzugezogen werden. Investoren werden künftig nicht nur auf Basis der Mieteinnahmen und der Laufzeiten entscheiden, sondern sich verstärkt mit ESG-Kriterien oder der Vermietbarkeit von Bürogebäuden an mehrere Nutzer (Multi-Tenant-Eignung) auseinandersetzen müssen. Natürlich gibt es auch Immobilienarten, die künftig eine gute Performance aufweisen werden. Dazu zählen Logistikflächen, Premiumbüroflächen, die ESG-Kriterien und weitere Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, sowie Mietwohnungen mit guter Energieeffizienz. Diesen Objekten werden längerfristig eine hohe Nachfrage und gute Rendite zugesprochen.

    Um an frisches Geld zu gelangen, können sich Entwickler außerdem bemühen, zusätzliche Kapitalgeber zu finden. Denkbar ist auch die Finanzierung über Mezzanine-Mittel. Mezzanine-Geber können zudem zu Miteigentümern gemacht, externe Gesellschafter können als Eigenkapitalgeber aufgenommen werden. Diese bringen neues Kapital, erhalten Mitspracherechte und werden im Gegenzug am Unternehmenserfolg beteiligt.

    Krisenmanagementplan für Ausnahmesituationen entwickeln
    Ein wiederkehrender Fehler ist der Mangel eines proaktiven Krisenmanagements. Dieses sollte in der Firma implementiert werden, um künftig in Ausnahmesituationen besser und schneller reagieren zu können. Sinnvoll ist eine solche Struktur grundsätzlich, sollte jedoch ab einem Objektvolumen von 40 Mio. Euro beziehungsweise einem Umsatz von mindestens 50 Mio. Euro Standard sein. Dem Krisenteam sollten Mitglieder der Geschäftsführung sowie zusätzliche Schlüsselpersonen des Unternehmens angehören, wie unter anderem die Leiter von Controlling, Finanzen, Recht, HR, Marketing und Vertrieb.

    Für die Erstellung eines Krisenplans ist zunächst eine Analyse der finanziellen, operativen und strategischen Lage (Ist-Zustand) wichtig, um das Ausmaß der Krise und die möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen zu verstehen. Auf Basis dieser Daten sollten verschiedene Szenarien erarbeitet werden, um die Notlage zu managen. Das kann beispielsweise der Umgang mit gestiegenen Projektkosten, längeren Vertriebszeiten oder niedrigen Verkaufspreisen sein. Dabei sollte die Machbarkeit der denkbaren unternehmenssichernden Maßnahmen, die jeweiligen Vor- und Nachteile unter die Lupe genommen werden. Solche Risikomanagementtools helfen den involvierten Führungskräften, aktuelle sowie künftige Krisensituationen unmittelbarer zu identifizieren und auf dieser Basis die strategisch richtigen Entscheidungen zu treffen. Unter Umständen muss hierfür in eine moderne Software investiert werden, um ein besseres, aktuelles und konsistentes Controlling der Projekte, Kosten, Termine etc. zu gewährleisten.

    Fundamental wichtig ist es, im Rahmen der Erstellung des Krisenmanagementplans die Liquidität sicherzustellen, um kurzfristige Verbindlichkeiten begleichen zu können, unter anderem der beauftragten Firmen auf den Baustellen. Insbesondere in der Krise ist eine transparente Kommunikation entscheidend. Das betrifft alle relevanten Gruppen, angefangen bei Finanzierungspartnern und Investoren, über Stakeholder, Kunden, Lieferanten, die Öffentlichkeit sowie die Mitarbeiter. Ferner müssen bei Unternehmen im Krisenmodus weiterhin rechtliche und regulatorische Verpflichtungen beachtet werden. Hierauf hat das Krisenmanagementteam ebenfalls zu achten. Kein Krisenplan sollte in Stein gemeißelt sein, er sollte vielmehr regelmäßig hinterfragt, auf seine Aktualität hin überprüft und angepasst werden. Auch können weitere Szenarien, die nichts mit den aktuellen volkswirtschaftlichen Herausforderungen zu tun haben, wie der Umgang mit einem Hackerangriff oder das Verhalten bei einem Ausfall der IT-Infrastruktur, in den Notfallplan einfließen.

    Dirk Hartmannshenn
    Partner der Unternehmensberatung Troesser & Co., Leverkusen

    Der Artikel ist zuerst erschienen in vhw Zeitschrift FWS 4 - Ausgabe Juli August | Die VÖ ist mit dem Verfasser abgestimmt und auch genehmigt.

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