Expertenblog

    Interview von Brownfield24 mit Sarina Schekahn von JLL und Timm Sassen von Greyfield


    Strukturwandel im Ruhrgebiet: Altes Mediengelände wird moderner Logistik-Hub

    Früher ein klassisches Industriegebiet mit den Schwerpunktbranchen Kohle und Stahl. Heute durch einen tiefgreifenden Strukturwandel auf dem Weg zu einer Service- und Dienstleistungsgesellschaft: es geht um das Ruhrgebiet. Diese Entwicklung und der damit verbundene Strukturwandel zeigen sich besonders stark in der größten Ruhrgebietsstadt Essen. Dort fühlt man diesen Wandel förmlich und sieht ihn an einem Areal, das nur zwei Kilometer von der Stadtmitte entfernt ist: die ehemaligen Gebäude der Funke Mediengruppe. Auch wenn es hier nicht um die Traditionsbranchen Kohle oder Stahl geht, befindet sich auch die Medienbranche in einer Transformation, so dass vor Ort alte Gebäude frei und neu genutzt werden können. Im Interview mit Timm Sassen, CEO der Greyfield Group und Sarina Schekahn, Head of Industrial Leasing Germany bei Jones Lang LaSalle (JLL) beschreiben die beiden Gewerbeimmobilienexperten die vielfältigen Entwicklungs- und Nutzungsmöglichkeiten für dieses Brownfield in Essen.

    Brownfield24: Wir stehen hier auf dem ehemaligen Grund und Boden der Funke Mediengruppe in Essen. Dieses spannende Areal soll revitalisiert und umgewidmet werden. Was ist grundsätzlich dazu zu sagen?
    Timm Sassen: Greyfield ist ein Redeveloper. Unser Geschäftsmodell hat zum Ziel, Bestandsgebäude möglichst immer zu erhalten und umzuwidmen. Dafür ist das Areal hier ein sehr gutes Beispiel. Wir reden über ein Grundstück mit einer Gesamtgröße von 37.000 m² Grundfläche. Dieses Angebot trifft auf eine hohe Nachfrage nach Gewerbe- und Logistikflächen in Essen. Die Kunst ist es nun, diese bereits versiegelten Flächen gut zu nutzen und umgekehrt keine neuen Flächen für den Umbau versiegeln zu müssen. Von der reinen Mietfläche sind wir bei 28.000 m². Der Neubau eines Gebäudes dieses Ausmaßes würde etwa zu einem Ausstoß von rund 25.000 Tonnen CO² führen. Es ist gut, dass wir diese CO2 Emissionen komplett einsparen können. Künftig werden die Gebäude unter anderem für eine logistische Versorgung der Essener Innenstadt genutzt.

    Brownfield24: Eine Aufgabe von JLL für dieses Areal ist es, Interessenten zu finden. Wer könnte und sollte sich hierfür interessieren und was ist die konkrete Aufgabe des Immobiliendienstleisters und sein Mehrwert?
    Sarina Schekahn: Wir als JLL verfügen über Kontakte aus diversen Branchen der Wirtschaft. Dabei haben die jeweiligen Unternehmen sehr unterschiedliche Anforderungen an Mietflächen. Wir unterstützen in den verschiedensten Fällen professionell und stellen den Kontakt zwischen Eigentümern und potenziellen Mietern her, die genau diese Flächenbedarfe haben. In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen, dass wir zum Beispiel für den Bereich Supply Chain-Beratung eine Kooperation mit Miebach Consulting aufgebaut haben. Dadurch können wir die Transportwege und -kosten optimieren und in diesem Zusammenhang auch die richtigen Standorte finden. Ebenso ist in diesem Bereich die Urban Logistic angegliedert. Sie kümmert sich darum, entsprechende Flächen zu identifizieren, die wir Unternehmen anbieten, die die letzte Meile bedienen oder aber eine City Belieferung abbilden wollen. Unserer Abteilung für Land Acquisition geht es darum, Grundstücke zu identifizieren, die mittel- oder langfristig entwickelt und bebaut werden können. So ergänzen wir unser originäres regionales Maklergeschäft im Bereich Industrial Leasing und schaffen Projektpotenziale. Dadurch bieten wir unseren Kunden die gesamte Wertschöpfungskette rund um die Identifizierung, Entstehung, den Bezug, die Vermietung und den Verkauf einer Gewerbe- und Logistikimmobilie an. Zunächst ist es für dieses ehemalige Funke-Areal in Essen wichtig, einen ersten Ankermieter zu finden, der wesentliche Flächen nutzt. Darauf aufbauend werden wir gemeinsam weitere Mieter identifizieren. Neben den Themen der Revitalisierung und Entwicklung eines Green Buildings, ist vor allem die gute innerstädtische Lage hier in Essen hervorzuheben. Sie ermöglicht es, eine vielfältige Nutzung zu generieren und ein passendes langfristiges Konzept für den Eigentümer und die Nutzer zu erstellen.

    Brownfield24: Beim Rundgang über das Gelände und durch die Gebäude waren wir auch in der ehemaligen Druckerei der Funke Mediengruppe. Davon wie hier früher eine Zeitung gedruckt wurde, haben sicher viele Menschen eine Vorstellung. Was soll hier jedoch künftig passieren und wie sind Sie daran beteiligt?
    Timm Sassen: Wir verfolgen als Projektentwickler im Bestand einen ganzheitlichen Ansatz. Für uns steht nicht nur Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Fokus unseres Geschäftsmodells, sondern wir zielen auch darauf ab, Nutzer zu gewinnen, die dasselbe Ziel verfolgen.
    Sarina Schekahn: Je nachdem, ob man das Areal im gesamten oder in zwei Teilen – Bestandsimmobilie und Entwicklungsgrundstück – betrachtet, sind unterschiedliche Szenarien vorstellbar. Zum einen als direkte Mietflächen mit Erweiterungspotenzial oder das Entwicklungsgrundstück abgegrenzt. Das kann sowohl durch den klassischen Logistiker als auch von einem Last Mile-Unternehmen genutzt werden. Diese mögliche Nutzung ist ein Anknüpfungspunkt für Teile der Bestandflächen, die für die letzte Meile oder City-Belieferung genutzt werden können. Aufgrund der Verkehrsinfrastruktur und den vorhandenen Flächen schaffen sie einen Mehrwert. Allerdings gibt es auch Bereiche, die hinsichtlich einer logistischen Nutzung eher herausfordernd sind. Grund dafür ist, dass nur eine geringe Zahl an Tore vorhanden ist und die klassische Rechnung von einem Tor auf 1.000 m² nicht aufgeht. Ein weiterer Punkt ist, dass das Stützenraster in den Bestandsflächen wesentlich höher ist als heute üblich. Es entspricht so nicht den Anforderungen der klassischen Standard-Logistikimmobilie. Historisch betrachtet war das für die Funke-Gruppe unabdingbar. Für die künftige Nutzung ist es dann auch unsere Aufgabe kreativ zu werden und an andere Ansätze zu denken, wie beispielsweise eine Kletter- oder Padelhalle, die derzeit stark nachgefragt sind. Andererseits stehen auch Flächen zur Verfügung, bei denen es möglich ist, die Hallen direkt zu befahren. So könnten beispielsweise hochwertige Fahrzeuge zwischengelagert oder vor der Auslieferung aufbereitet oder repariert sowie Batterien wieder geladen werden. In diesem Zusammenhang denke ich an Automobilhersteller, die händeringend auf der Suche nach geeigneten Flächen für die Ladung der Hybrid- und E-Autos sind und gern zusätzlich zur reinen Batteriebeladung ihren Kunden noch einen sozialen Mehrwert bieten möchten. Aufgrund der vorhanden Strommengenverfügbarkeit an diesem Standort ließe sich hier auch gut eine Ladeinfrastruktur für E-Autos etablieren.

    Brownfield24: Das Ruhrgebiet und mit ihm natürlich auch die Stadt Essen gehen durch einen starken Strukturwandel – von einer ehemaligen Industrieregion, die stark geprägt war durch Bergbau und Stahl, nun hin zur Dienstleistungsregion. Was bedeutet der Strukturwandel für dieses Areal und sein Potenzial, und wie hat der Strukturwandel JLL als Unternehmen verändert? Haben Sie dazu auch ein konkretes Beispiel?
    Sarina Schekahn: Wenn wir uns grundsätzlich die verändernde Dienstleisterwelt anschauen, sehen Sie an allen Ecken, dass Logistiker früher die reine Lagerung von Produkten angeboten haben. Heute dagegen haben sich die meisten zu Third Party Logistics Providern entwickelt, die nicht nur Lagerung und Transport, sondern auch viele weitere wertschöpfende Dienstleistungen übernehmen. Dies ist bei uns nicht anders. Früher war JLL ein klassisches Maklerhaus. Jedoch haben wir uns in den letzten Jahren zu einem Fullservice Immobiliendienstleister weiterentwickelt, der bereits am Anfang der Wertschöpfungskette ansetzt. Im Bereich der Lieferkette sowie hinsichtlich hochaktueller ESG-Themen oder auf Basis unserer Studien beraten wir professionell. Im Kern geht es immer um die Frage: Welcher ist der richtige zukunftsweisende Standort, und wo können die Transportwege, im Warenein- und -ausgang optimiert werden? Auch bei Neuentwicklungen und im Bestand unterstützen unsere Kollegen aus Project and Development Services bei der optimalen Neuplanung oder Projektsteuerung. Zusätzlich zu den direkten Leasing Services machen unsere Kollegen aus Work Dynamics gemeinsam mit ihren Kunden auch das Portfolio zukunftsfähig und identifizieren die Technologie, die das ermöglicht. Das geht bis dahin, dass wir auch für Eigentümer deren tägliches Asset Management übernehmen.

    Brownfield24: Welche Herausforderungen bringt die Revitalisierung dieses Areals und seiner Gebäude hier mit sich?
    Timm Sassen: Grundsätzlich ist Deutschland nach unserer Ansicht fertig bebaut. Der neue Weg für Projektentwicklungen ist die Besinnung auf das Bestehende. Das nachhaltigste Gebäude ist das, was bereits gebaut ist. Für eine ressourcen- und klimaneutrale Zukunft müssen wir das Alte mit neuen Augen sehen und Potenziale im Bestand erkennen und heben. Somit ist das Herausfordernde am Funke-Areal die Potentiale, einmal aus ökologischer Sicht aber auch aus Nutzersicht zu identifizieren. Die bestehenden Flächen, so wie sie bisher genutzt wurden, gilt es nun neu zu entdecken und optimal an verschiedene neue Nutzer mit unterschiedlichen Anforderungen anzupassen.
    Sarina Schekahn: Im Vordergrund sehe ich hier nicht die Herausforderungen, sondern vor allem die Chancen in einer solchen Lage eine komplexe Gewerbeeinheit mit verschiedenen Nutzungsarten zu kombinieren; vor allem ist das Thema ESG hervorzuheben, auch da das ein Kerngedanke unseres Partners, der Greyfield Group ist. Auch wir bei JLL haben uns mit hoher Priorität dem Thema ESG verschrieben und bereits eine ESG-Beratung intern gegründet. Mit ihr konnten wir bereits vielen Kunden eine vollumfängliche Beratung bieten. Gerade im Ruhrgebiet ist es zwingend notwendig Brownfield-Entwicklungen zu betreiben und nicht nur vom revitalisierten Grundstück aus. Besonders auch aus den sprichwörtlichen alten Industriebrachen heraus gilt es Neues zu schaffen, da sich keine neuen Flächen entwickeln lassen. Zudem geht es uns allen darum, nicht weitere Flächen zu versiegeln, sondern unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit nicht genutzte Fläche umzuwidmen und so einem Teil des Stadtbildes ein positives und neues Gesicht zu geben. Nach dem Klimaschutzplan der Bundesregierung soll der Flächenverbrauch bis 2050 auf Netto-Null reduziert sein. So soll der Übergang in eine Flächenkreislaufwirtschaft vollzogen werden. Das bedeutet, dass für jeden neuversiegelten Quadratmeter ein anderer bereits versiegelter wieder renaturiert werden muss.Daher müssen wir uns vor allem auch mit diesen vorhandenen Flächen und Arealen, die in der Vergangenheit häufig nicht betrachtet wurden, auseinandersetzen. Es gilt der Stadt ein neues Gesicht zu gegeben und es sozial- und klimaschutzverträglich in das Gesamtgeschehen einzubinden.

    Brownfield24: Abschließend noch – für wie flexibel halten Sie das Gelände? Konkret was geht und was nicht – gerne auch mit Blick auf die bestehende oder noch zu verbessernde Infrastruktur? Können die Flächen und die fertigen Bauten auch den Status systemrelevant erreichen?
    Sarina Schekahn: Im Rahmen der Pandemie haben wir alle gemerkt, dass es an mancher Stelle im persönlichen Einkauf eng wurde. Ich denke nur daran, wie viele Menschen erhebliche Mengen an Nudeln daheim horteten, so dass man in diesem Zusammenhang eine Systemrelevanz des Standortes für die innerstädtische Versorgung unterstreichen kann. Vor allem der Lebensmitteleinzelhandel benötig kurze Belieferungswege und Nachversorgungslager, die hier gegeben sind, da wir nur knapp zwei Kilometer von der Essener Innenstadt entfernt sind. Zudem ist das Thema E-Commerce zu nennen. Es haben die unterschiedlichen Anbieter in den letzten Jahren begonnen, vermehrt die Endkundenbelieferung als Teil ihrer Aufgabe zu verstehen und diese in ihre logistischen Netzstrukturen zu integrieren. In dem Zusammenhang werden Standorte so nah wie möglich am Kunden gesucht. Gestern wurde über die Realisierung von Next Day-Belieferungen diskutiert. Heute sprechen wir fast nur noch darüber, wie die Herausforderung des Same Day-Delivery, wenn nicht sogar der Next Hour-Zustellung realisiert werden kann. Dafür ist die innenstadtnahe Lage dieses Areals in Kombination mit der direkten Autobahnzufahrt absolut passend. Mehr dazu im Video mit vielen Luft- und Innenaufnahmen von Gelände und Gebäude. Bei Fragen und Interesse finden Sie unter folgendem Link Infos und Kontaktmöglichkeiten: jll.de oder unter: www.greyfieldgroup.de

    Brownfield24 im Videointerview mit Sarina Schekahn von JLL