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    Interview mit Mohamed Gharbi, Director Site Development bei Tauw Deutschland


    Interview mit Mohamed Gharbi, Director Site Development bei Tauw Deutschland

    Die Neuentwicklung oder Umnutzung von brachliegenden Flächen und Gebäudearealen kann für Projektentwickler und Investoren umweltrelevante und finanzielle Risiken bergen. Besonders die Entwicklung vorbelasteter Industrie-, Gewerbe- oder Konversionsflächen stellt dabei hohe Anforderungen an eine interdisziplinäre Planung.
    Die TAUW Group entwickelt für ihre internationalen Kunden nachhaltige und wirtschaftliche Lösungen über den gesamten Immobilienlebenszyklus. Das Unternehmen ist mit 1.200 Mitarbeitern in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Italien und Spanien vertreten und ist Gründungsmitglied des weltweiten Beraternetzwerkes CAT Alliance. B24 hat mit Mohamed Gharbi, Director Site Development bei Tauw Deutschland, über nachhaltige Brownfieldentwicklung gesprochen.

    B24: Herr Gharbi, wofür steht TAUW und welche Bereiche der Brownfieldentwicklung deckt das Unternehmen ab?

    MG: TAUW ist ein europaweit tätiges Ingenieurs- und Beratungsunternehmen mit Fokus auf Umwelt und Nachhaltigkeit. Mit unserem Leistungsportfolio decken wir in der Regel alle Phasen im Lebenszyklus einer Entwicklung von Brownfields ab. Dazu gehören unter anderem Bestandsaufnahmen von Gebäuden und Standortbewertungen im Zuge von Transaktionen in der Anfangsphase eines Projekts. Später dann selbstverständlich auch Gebäudeschadstoffuntersuchungen, Planung, Überwachung und Ausführung von Rückbauarbeiten, Altlastenuntersuchungen, Sanierungen, Abfallmanagement, Kampfmitteluntersuchungen - kurz: all die bekannten Umweltthemen, die Brownfieldentwickler umtreiben. Da wir über die fachliche und organisatorische Expertise verfügen, können wir hier alle Leistungen aus einer Hand anbieten.

    B24: Sie stellen sich in den Bereichen Rückbau und Flächenentwicklung strategisch gerade neu auf. Was bedeutet dies für Ihre Kunden?

    MG: Zum Jahreswechsel bringen wir die Bereiche Rückbauplanung und die Themen des Boden- und Grundwasserschutzes organisatorisch noch enger zusammen. Für unsere Kunden bedeutet dies, dass alle Leistungen mit kalkulierbarem Verwaltungs- und Kostenaufwand erbracht werden. Die Koordination aller Stakeholder im Zuge der Entwicklung eines Areals wird dadurch entscheidend vereinfacht. Dass hier sämtliche Leistungen auf einmal durch einen Anbieter erbracht werden, ist ein großer Vorteil für Bauherren und Investoren.

    B24: Darüber hinaus spielt das Thema ESG – also Environmental Social Governance – bei Ihnen eine wichtige Rolle. Warum und wie kann ich bei einer Brownfield Entwicklung davon profitieren?

    MG: Im Fokus steht immer die nachhaltige Entwicklung eines Standorts. Environmental Social Governance erfordert von Investoren eine breite Sichtweise, die Einblicke in die langfristigen Perspektiven von Projekten gibt. Hier bietet ein ESG-Ansatz eine gute Benchmark, um die gesamte Qualität und das Spektrum der Projektchancen und -risiken richtig beurteilen zu können.

    B24: Welche aktuellen Themen aus dem Bereich Umwelt beschäftigt derzeit Ihren Bereich und welche Lösungsansätze gibt es hier?

    MG: Da gibt es natürlich einige. Ich möchte heute nur auf zwei Themen eingehen, die uns derzeit besonders beschäftigen. Zum einen sind das die per- und polyfluorierten Verbindungen. In den letzten zehn Jahren ist diese Stoffgruppe zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Wir beobachten, dass sie auch bei der Brownfieldentwicklung mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.

    In der Vergangenheit wurden per- und polyfluorierten Verbindungen vielfältig eingesetzt, zum Beispiel auf militärischen Übungsplätzen oder in der Textil- und Papierindustrie. Deshalb ist es besonders wichtig, bereits in der Ankaufphase das Vorhandensein dieser Chemikalien zu prüfen. Sie sind in der Regel sehr toxisch, persistent und erfordern einen höheren Sanierungsaufwand sowie höhere Kosten. Im Vordergrund steht immer die Untersuchung der Befunde im Vorfeld. Wenn auf den Flächen Verdachtsmomente vorhanden sind, kann es im ein oder anderen Fall durchaus auch mal zu einem Deal-Break kommen.

    Das zweite Thema, das bei der Entwicklung von Brownfields in Zukunft bedeutsam sein wird, ist Radon. In jedem Baumaterial aus natürlichem Gestein ist ein natürlicher Anteil an Uran und Radium enthalten. Zerfallen Uran und Radium, entstehen Radon und seine Folgeprodukte und werden aus dem Baumaterial ins Gebäude freigesetzt. Momentan werden auf den meisten Radonverdachtflächen sogenannte Radonkarten herangezogen, um abschätzen zu können, ob ein Areal eventuell betroffen ist.

    Die derzeitig verfügbaren Karten liefern allerdings nur eine recht grobe Übersicht über die tatsächliche Radonkonzentration auf der Fläche, im Boden oder in der Luft. Aufgrund dessen arbeiten die Bundesländer zurzeit an der Datenlage zur Feststellung von sogenannten Radonvorsorgegebieten. Diese müssen bis Ende 2020 definiert sein. Ab Januar 2021 gelten dann Messpflichten für alle Bauplätze, die in Radonvorsorgegebieten liegen.

    Das heißt: Die ausgewiesenen Areale sind behördlich definiert, die Messpflicht ist gesetzlich verankert. Sobald sich ein Areal in einem solchen Gebiet befindet, besteht diese Messpflicht. Wird der Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter überschritten, sind Maßnahmen zu treffen. Deshalb ist es sehr sinnvoll, Brownfields schon vor der Revitalisierung auf Radon abzuklären. Das kann später Kosten sparen.