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    Interview mit Rudolf Wabra, Geschäftsführer der RADEA GmbH


    Interview mit Rudolf Wabra, Geschäftsführer der RADEA GmbH
    www.radea.de

    »Über 70% unserer Sanierungs-Projekte liegen außerhalb der Radon-Vorsorgegebiete!«

    Die RADEA GmbH aus Rheinbach bei Bonn ist unter anderem in einem Geschäftsfeld tätig, das alle Menschen betrifft, obwohl kaum jemand davon weiß: der Radon-Sanierung von Immobilien. Radon ist nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Jedes Jahr sterben in der EU 20.000 Menschen daran. Das unsichtbare, geruchlose Gas entsteht beim Zerfall von Uran und strömt überall auf der Welt aus dem Erdreich. Wir haben mit Rudolf Wabra, Geschäftsführer der RADEA GmbH, über das komplexe Thema der Radonsanierung und die Anforderungen des neuen Strahlenschutzgesetzes gesprochen.

    B24: Herr Wabra, sagen Sie zunächst etwas zu Ihrer Person und Ihrem Arbeitsschwerpunkt?

    RADEA: Ich bin Geschäftsführer der RADEA GmbH. Bei RADEA beschäftigen wir uns seit fast 10 Jahren mit dem Thema Raumluftqualität. Wir sind dabei auf verschiedene gesundheitlich relevante, gasförmige Schadstoffe spezialisiert. Einige dieser Gase werden von den Baustoffen abgegeben, andere, wie z.B. Radon haben einen natürlichen Ursprung und dringen überwiegend aus dem Erdboden in Gebäude ein.

    B24: Beim Thema Brownfield denkt man in den seltensten Fällen an Radon. Was genau ist das und warum wird dieses Thema unterschätzt?

    RADEA: Radon ist ein gasförmiges, radioaktives Zerfallsprodukt in der Uran-Zerfallsreihe. Uran kommt quasi überall auf unserer Erde in unterschiedlichen Konzentrationen und unterschiedlichen Tiefen vor. Bestimmte Gesteinsarten, wie z.B. Granit oder auch Schiefer enthalten nennenswerte Mengen Uran und sind damit ein Anzeiger für mögliches Radonvorkommen. Der gasförmige Zustand dieses Elements führt dazu, dass es sehr leicht aus dem Erdboden nach oben entweicht. Infolge von Gebäude-Undichtigkeiten dringt dieses Gas zusammen mit anderen Boden-gasen in Gebäude ein und kann sich dort, insbesondere bei den heute angestrebten kleinen Luftwechselraten sehr stark anreichern.

    Zusätzlich verstärkt ein weiterer Effekt das Eindringen in Gebäude, und zwar die Druckdifferenz: Während im Baugrund der Druck gegenüber dem Atmosphärendruck tendenziell infolge von Zersetzungsprozessen erhöht ist, ist der Druck in Gebäuden aufgrund des Betriebes technischer Lüftungssysteme und thermischer Effekte im erdberührenden Bereich eher niedriger. Dieser Effekt „saugt“ das Radon geradezu in die Gebäude hinein.

    Nun ist das radioaktive Gas Radon ein Alpha-Strahler mit einer relativ geringen Halbwertszeit, so dass eingeatmetes Radon bereits in der Lunge eines Menschen zerfallen kann und dadurch giftige, krebserzeugende Spaltprodukte von Radon in der Lunge zurückbleiben. Das häufigste Krankheitsbild infolge erhöhter Radon-Belastung ist damit Lungenkrebs. Internationaler Studien führen aber auch andere Krebsarten auf Radon zurück.

    B24: Seit dem 01.01.2021 gelten deutschlandweit hinsichtlich der Radonwerte neue Anforderungen. Was genau muss nun beachtet werden?

    RADEA: Hier muss man schon beim 01.01.2019 beginnen, denn an diesem Tag trat die Änderung des Strahlenschutzgesetzes bereits in Kraft. Damit gilt bereits seit zwei Jahren, dass die Belange des Radonschutzes auch baurechtlich und bauaufsichtlich zu beachten gewesen wären. Es gilt ein Referenzwert von 300 Bq/m³ auf Basis dieses Gesetzes, wobei die zuständige Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), nach wie vor einen Wert von <100Bq/m³ als Zielwert angibt.

    Im Bereich von Neubauten gilt das unverändert weiter. Eine gewisse Erweiterung der bisherigen Bestimmungen ist nun zum 01.01.2021 in Kraft getreten. Dabei handelt es sich um die Ausweisung von Radon-Vorsorgegebieten, in denen ab sofort besondere Vorgaben im Neubaubereich, aber auch gesetzlich vorgeschriebene Überwachungsmessungen durch den Gebäude-Eigentümer für öffentliche Gebäude und für Arbeitsstätten gelten. Die Radonvorsorgegebiete können über die Seite des BfS für die einzelnen Bundesländer abgefragt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Definition dieser Radon-Vorsorgegebiete eine bestimmte Häufigkeit einer Grenzwert-Überschreitung in einem konkreten Gebiet voraussetzt. Umgekehrt bedeutet das natürlich nicht, dass eine Überschreitung außerhalb der Radon-Vorsorgegebiete nicht vorkommt. Über 70% unserer bisherigen Sanierungs-Projekte liegen außerhalb der Radon-Vorsorgegebiete!

    Neben den Bestimmungen, die sich aus dem Strahlenschutzgesetz direkt ergeben, ist aber zu beachten, dass Radon ein gesundheitlich relevanter Gebäude-Schadstoff ist. Bei einem solchen Schadstoff liegt dann juristisch gesehen ein Sachmangel vor. Für Grundstücksentwickler und Immobilienverkäufer bedeutet dies, dass zur Absicherung zumindest eine entsprechende Messung der Radonkonzentration immer vorgenommen werden muss, denn wie vorher beschrie-ben, kommt Radon auch außerhalb von Radon-Vorsorgegebieten vor. Natürlich stellt Radon auch außerhalb der ausgewiesenen Vorsorgegebiete einen Sachmangel dar, der zu erheblichen Wertminderungen führen wird.

    Eine Messung aus unserem Sachverständigen-Netzwerk kostet nur wenige hundert Euro und gibt Gewissheit, aber auch eine entsprechende Absicherung gegenüber Mietern oder Käufern der jeweiligen Immobilie. Messungen können sowohl im Baugrund mittels einer genormten Bodenluftmessung, als auch in Gebäuden mittels Raumluftmessung durchgeführt werden. Für öffentliche Gebäude und Arbeitsstätten muss die Messung durch eine „anerkannte Messstelle nach §155 StrSchG“ durchgeführt werden; diese findet man auf der Seite des BfS (www.bfs.de). Für andere Bauvorhaben und Gebäude sind diese Mess-Stellen natürlich ebenfalls zuverlässige Partner.

    B24: Bedeutet dies nun für Bauvorhaben einen eklatanten Einschnitt oder lassen sich die Anforderungen entsprechend einhalten?

    RADEA: Zum einen bedeutet die Situation, dass bei jedem Grundstücks- oder Immobilienverkauf eine Absicherung in Form einer Radon-Messung anzuraten ist, um eine spätere Forderung aufgrund eines festgestellten Sachmangels vorzubeugen.

    Wird eine erhöhte Radonkonzentration im Baugrund festgestellt, können entsprechend zusätzliche Abdichtungsmaßnahmen durchgeführt werden. Im Gebäude-Bestand sind verschiedene Lösungen je nach Gebäude-Art und je nach festgestellter Radon-Konzentration möglich. Die dazu erforderlichen Kenntnisse sind im deutschsprachigen Raum noch sehr wenig verbreitet und auch in der Literatur leider nur mangelhaft beschrieben. Das hat bisher dazu geführt, dass ein großer Teil der durchgeführten Sanierungen das vereinbarte Sanierungsziel nicht erreicht hat.

    Wichtig ist es zu differenzieren, welcher Wert denn nun als Zielwert einer Sanierung zu vereinbaren wäre: Während das Strahlenschutzgesetz einen „Referenzwert“ von 300Bq/m³ vorgibt, liegen die Empfehlungen der WHO und des BfS bei <100Bq/m³. Ein Sachmangel dürfte daher aus juristischer Sicht auch bereits bei einer Überschreitung von 100Bq/m³ (im Jahresmittel) vorliegen. Es ist also unbedingt ein Sanierungsverfahren zu empfehlen, welches solche Werte auch nachhaltig gewährleisten kann.