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    Interview mit Dr. Jürgen Margane, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Mull und Partner Group


    Mull und Partner gehört mit neun eigenständigen Gesellschaften und mehr als 450 qualifizierten Mitarbeitenden an 13 Standorten seit nahezu 40 Jahren zu den führenden deutschen Ingenieurdienstleistern. Die Firmengruppe bietet ihren Kunden ein breites Spektrum an Dienstleistungen in den Bereichen Umwelt, Infrastruktur, Baumanagement, Immobilienentwicklung, erneuerbare Energien und Wasserwirtschaft. Das vielfältige Leistungsspektrum ermöglicht eine Arbeit an komplexen Projektfragestellungen im Verbund.

    Brownfield24 hat sich mit Dr. Jürgen Margane, geschäftsführender Gesellschafter und stellvertretender Vorstandsvorsitzender, u.a. über die Bürgermeisterdeponien von Köln und einige Fallstricke bei der Revitalisierung von Brownfields unterhalten.

    Brownfield24: Herr Dr. Margane, sagen Sie zum Einstieg doch bitte etwas zu Ihrer Person, Ihrem Unternehmen und seinen Tätigkeitsschwerpunkten.

    Dr. Jürgen Margane: Das mache ich gern. Ich bin von Haus aus Geologe und habe in Köln über thermische Bodensanierung promoviert. 1989 habe ich bei der Ingenieursgesellschaft Mull und Partner angefangen. Ich bin quasi ein Urgestein und habe die Entwicklung des Unternehmens in den letzten 32 Jahren komplett mitbekommen. Heute bin ich geschäftsführender Gesellschafter der Mull und Partner Ingenieursgesellschaft und habe als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Mull und Partner Group noch einen zweiten Hut auf.
    Die Group selber setzt sich aus verschiedenen Gesellschaften zusammen. Wir sind eine Aktiengesellschaft mit Sitz am Tegernsee. Die Hauptgesellschafter bzw. Hauptaktionäre ist die Familie von Tucher. Im Grunde genommen sind wir ein Family-Office mit 450 Mitarbeitenden in neun GmbHs. Mull und Partner ist die größte davon. Unsere 13 Niederlassungen sind in alle Himmelsrichtungen verstreut – von Garmisch bis Sylt und von Zossen bis Aachen. In China haben wir zwei weitere Niederlassungen.
    Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeiten ist das Thema Umwelt, also Altlasten, Spezialtiefbau, Artenschutz, Kampfmittelräumung, Grundwassersanierung und erneuerbare Energien. Deshalb sitzen wir heute hier zusammen. Wir bieten unseren Kunden – Projektentwicklern und Bestandshaltern aus dem Immobilienbereich sowie der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Städte und Kommunen) – Gesamtleistungen im Consulting-Bereich und begleiten alle Maßnahmen, sind aber selbst nicht gewerblich tätig.

    Brownfield24: Was sind aus Ihrer Sicht typische Fallstricke bei einer Brownfield-Revitalisierung?

    Dr. Jürgen Margane: Ein Brownfield ist an sich ja nichts Kompliziertes. Man muss es nur früh genug richtig anpacken, um eine vernünftige Kostenkalkulation zu haben, da sich letztendlich alles ums liebe Geld dreht. Natürlich ist es gerade unter Umweltgesichtspunkten die Brownfield-Revitalisierung ein absolut positiver Aspekt. Die seitens der Bundesregierung angestrebte Flächenreduzierung auf 30 ha pro Tag im Jahr 2025 – im Moment haben wir 68 – kann nur erreicht werden, wenn wir Brownfields im größeren Umfang und Stil reanimieren.
    Davon gibt es unzählige in Deutschland. Lassen sie mich unter vielen Aspekten 2 herausgreifen:
    Das bedeutet – Fallstrick Nummer Eins – einen hohen verwaltungstechnischen Aufwand seitens der Ordnungsbehörden. Mit vier Behörden hat man immer zu tun: Umweltamt, Bauaufsichtsamt, Grünflächenämter und untere Wasserbehörden. Das Problem: Die kommunizieren oft nicht miteinander und haben keine Entscheidungskompetenz. Der Planungsprozess dauert immens lange bzw. wird zunehmens länger.
    Fallstrick zwei: die geforderte Einbringung von Recyclingbaustoffen. Häufig entscheiden die Behörden da sehr hoheitlich. In den letzten fünf Jahren wurden die Ansprüche immer höhergeschraubt. Absurdes Beispiel aus der Praxis: Auf einem Greenfield wurde ein Logistikcenter mit Recyclingbaustoffen errichtet. Diese Fläche wurde dann später im Altlastenkataster aufgenommen, weil die eingesetzten Baustoffe (RCL) nicht gänzlich "schadstofffrei" waren bei Null lag. Da würde ich mir wünschen, dass die Behörden mehr mit Augenmaß arbeiten.

    Brownfield24: Wie kriegt man das Thema mangelnde Kommunikation in den Griff?

    Dr. Jürgen Margane: Im Hochbaubereich haben manche Städte eine Koordinationsstelle innerhalb der Verwaltung eingerichtet, damit relativ schnell eine Baugenehmigung realisiert werden kann. Eine solche Stelle wäre auch für Brownfieldentwicklungen hochinteressant. Ein oder zwei Personen, die alles bündeln und mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind, damit sie übergeordnet Dinge regeln können. Das wäre eine gute Idee und sehr zielführend, was die Prozessschnelligkeit angeht.

    Brownfield24: Gibt es aktuelle Leuchtturmprojekte von Ihnen, die Sie unseren Leserinnen und Lesern gerne vorstellen möchten?

    Dr. Jürgen Margane: Da fallen mir die Bürgermeisterdeponien aus den Jahren bis ca. 1990 ein. Die gibt es in allen großen Städten. Allein in Köln sind mehr als 60 "Altdeponien" im Stadtgebiet aktenkundig. Die Stadt zumeist als Eigentümerin kann im Zuge einer Sicherung/Sanierung im Rahmen einer Projektentwickung 2 Probleme lösen. Erstens wird notwendiges innerstädtisches Entwicklungspotentail für Wohnen und/oder Gewerbe geschaffen und Zweitens wird durch die Eigentümerübergabe das wirtschaftliche Restrisiko aus der kommunalen in die private Hand überführt. Wir realisieren in Köln derzeit einige Projekte in dieser Richtung. Im Einvernehmen mit der Stadt drehen wir die Deponien auf links. Das ist die Königsklasse der Sanierung mit sehr herausfordernden baugrund-, abfall- und deponietechnischen Fragestellungen. Immens hoch ist hierbei auch das Behördenengineering. Fakt ist, diese klassischen Brownfields sind meistens für die Nachnutzung risikofrei überplanbar und bestimmt ein Zukunftsthema für Städte und Kommunen.
    Genauso wie die Überbauung von Bahnstrecken mit Wohngebäuden übrigens. Auch das ist eines unserer Kölner Projekte. Die eigentliche Bahnstrecke wird übertunnelt, die Flächen an der Seite werden saniert. Wer Flächen in den Städten sucht, wird hier fündig. Das hat genau so ein großes Zukunftspotenzial wie die "Bürgermeisterdeponien".

    Brownfield24: Wo wir beim Blick in die Zukunft sind: Das Thema Radon ploppt gerade hoch. Wird es, was Schadstoffe angeht, noch weitere Überraschungen geben?

    Dr. Jürgen Margane: Fazit aus meiner langjährigen Erfahrung: Es wurden in der Vergangenheit immer wieder neue umweltrelevante Schadstoffe identifiziert. Diese wurden jahrzehntelang bedenkenlos in die Umwelt gebracht (Boden, Wasser, Luft, Gebäude) und später als hochtoxisch klassifiziert. Das wird es auch in Zukunft geben. Auch weil die Toxikologie weiter fortschreitet und die Messtechnik immer besser wird.
    PFC ist beispielsweise so ein Schadstoff. Vor zehn Jahren hat kaum einer darüber geredet. Heute ist PFC in aller Munde. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es in ein paar Jahren im Rückbaubereich Schadstoffe geben wird, die wir heute als problemlose Baustoffe kennen.

    Brownfield24: Abschließend eine Frage zu ESG, dem Standard nachhaltiger Anlagen. Wird das bei der Brownfieldsanierung auch eine Rolle spielen?

    Dr. Jürgen Margane: Das ist ein vielschichtiges Thema. Momentan kennen wir es aus dem Hochbau. Wir haben Anfragen von Investoren, die uns die kompletten Hoch- und Tiefbauunterlagen zur Verfügung stellen, damit wir die Kosten ermitteln, die entstehen werden, wenn das Objekt irgendwann in den Nullzustand zurückgeführt wird. Banken lassen sich mittlerweile auch ESG-Bewertungen vorlegen.
    Bei Brownfields wird das ebenfalls ein Riesenthema werden, da bin ich sicher. Investoren wollen möglichst keine nachlaufenden Sekundärkosten haben. Im Voraus zu bewerten, in was für einen Zustand das Brownfield überführt werden wird, ist auch eine große Chance für die Vermarktung von Brownfields. Städte und Kommunen beispielsweise erzielen durch Revitalisierungen eine Standort- und Statusverbesserung. Das lässt sich durch ESG bewerten und medientechnisch sehr gut vermarkten. Vor allem im Social-Media-Bereich.