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    Interview mit Dr. Hans-Hermann Hüttemann, Geschäftsführer der ECOSOIL Holding GmbH


    »90 Prozent der angenommenen Materialien bringen wir wieder ins Recycling.«
    Interview mit Dr. Hans-Hermann Hüttemann, Geschäftsführer der ECOSOIL Holding GmbH

    Täglich werden in Deutschland 120 Hektar Grünflächen umgewandelt, teils zur Wohn-, teils zur industriellen Besiedlung. Andererseits liegen 25.000 Hektar ehemaliger Brachflächen mit fantastischer Infrastruktur zur Verfügung. Hinzu kommen 200.000 registrierte Altlasten-Verdachtsflächen. Sie alle warten auf eine Sanierung und Umnutzung – zur Schonung der Neuflächen. Genug Raum also für Visionen.

    ECOSOIL, ein Komplettanbieter in der Flächensanierung, gehört mit rund 300 Mitarbeitenden in Deutschland zu den führenden Unternehmen im Bereich des umweltnahen Erdbaus. Die operativen Standorte der ECOSOIL Gruppe erstrecken sich über Nordrhein-Westfalen bis nach Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Dabei verbindet das Unternehmen das Bau-Projektgeschäft mit einem hausinternen Stoffstrommanagement – inklusive eigener Bodenbehandlungsanlagen, Verwertungsstellen, Deponien und einem Recyclinghof. Wir haben mit ECOSOIL Geschäftsführer Dr. Hans-Hermann Hüttemann über sein Unternehmen und die wichtige Rolle des Stoffstrommanagements bei der Brownfield-Revitalisierung gesprochen

    B24: Dr. Hüttemann, möchten Sie uns zum Auftakt Ihr Unternehmen und seine Schwerpunkte vorstellen?

    DH: Im Wesentlichen sind wir in zwei Regionen Deutschlands tätig. Im Westen, also im Ruhrgebiet, konzentrieren wir uns auf das Brachflächenrecycling und den damit korrespondierenden Deponiebau. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt arbeiten wir als Spezialtiefbau-Unternehmen und decken alle Baugrundverdichtungstechniken ab -– oberflächennah von 4 bis 6 Metern bis hin zu Tiefen von 50 Metern. Schwerpunktmäßig haben wir viel im sandigen Umfeld der ehemaligen Tagebaue zu tun. Darüber hinaus sind wir auch in Thüringen und Niedersachsen im Einsatz. Dort hauptsächlich in den Bereichen Flächensanierung und Rekultivierung von Flussläufen.

    Durch unser Joint Venture mit einem südafrikanischen Unternehmen verfügen wir über eine spezielle Exzenterwalzen-Kombination, die relativ schnell arbeitet, aber auch große Flächen benötigt. Ideale Anwendungen sind zum Beispiel Flughafenfelder oder verfüllte Hafenbecken. Diese Raupe zieht einen Sondierungsapparat hinter sich her, sodass anschließend auch Messergebnisse vorliegen. Wir können also sehr schnell sehen, wo in Tiefen bis zu 6 Metern noch Fundamente liegen, Blindgänger aus dem Krieg oder ähnliche Gegenstände.

    B24: Woher stammt die große Expertise Ihres Unternehmens?

    DH: Wir kommen ja ursprünglich aus dem Umfeld der stillgelegten Braunkohle. Mit deren »Hinterlassenschaften« haben wir es seit über 20 Jahren zu tun. Aus diesen Tagebauen haben wir auch viele Spezialistinnen und Spezialisten übernommen. Mittlerweile haben wir im Osten wie im Westen jeweils rund 150 Mitarbeitende.

    Für unsere Arbeit im Bereich des Brachflächenrecyclings brauchen wir kurze Transportwege. Deshalb sind unsere Aktionsradien nicht allzu groß. Wie gesagt, im Osten und Westen Deutschlands, vereinzelt auch im Süden. Im Spezialtiefbau hingegen wäre eine Ausweitung – zum Beispiel die Internationalisierung – durchaus denkbar. Das ist aber derzeit nicht geplant.

    B24: Wie wichtig ist die Rolle des Stoffstrommanagements bei der Brownfield-Revitalisierung und welchen Mehrwert bietet Ecosoil?

    DH: Stoffstrommanagement spielt eine ganz große Rolle. Wir arbeiten stark mit dem Austausch von Böden bzw. mit der Aufnahme von Böden, um sie wenigstens teilweise wieder ins Recycling zu bringen. Vor weit mehr als 10 Jahren haben wir unsere erste Bodenbehandlungsanlage erfolgreich an den Start gebracht. In Bochum gibt es mittlerweile eine zweite. Wir nehmen die Böden an, sieben sie und brechen die Bestandteile. Danach suchen wir uns Wiederverwertungsmöglichkeiten wie Sanierungsflächen oder Straßenbau – wo immer das Material hingehen kann und darf. Die Restbestandteile lagern wir in Deponien. Das sind aber nicht viele. Annähernd 90 Prozent der angenommenen Materialien bringen wir wieder ins Recycling und schonen damit Deponieraum.

    B24: Sind Sie nur für die Privatwirtschaft tätig oder auch für die Öffentliche Hand?

    DH: Weit über die Hälfte unserer Aufträge kommt aus der Privatwirtschaft, also Großflächeneigentümer oder Projektentwicklungsgesellschaften. Bei Letzteren kommt aber schon auch mal die Öffentliche Hand ins Spiel. Zum Beispiel in Bochum bei dem ehemaligen Opel-Gelände.

    B24: Ein Thema treibt uns alle um: der Fachkräftemangel. Welche Qualifikationen suchen Sie speziell und welche Anreize bieten Sie?

    DH: Fachkräftemangel ist in der Tat eine der größten Herausforderungen heute. Weil wir stetig wachsen, müssen wir auch ständig nachrekrutieren. Die Skala unserer Stellengesuche reicht von Baumaschinenführern und Fahrern über Poliere und Bauleiter bis hin zu qualifizierten Stoffstrommanagern.

    Weiterbildung ist bei uns jederzeit möglich. Wir sind da sehr flexibel und immer bereit zur Unterstützung, wenn Mitarbeiter sich weiterqualifizierten möchten – sei es durch interne Fortbildungen oder durch ein Aufbaustudium. Bei uns sind auch schon Baumaschinenführer zu Bauleitern geworden. Tolle Karrierechancen, ein wirklich gutes Betriebsklima und der faire Umgang, den wir miteinander pflegen – das alles hat sich mittlerweile in der Branche herumgesprochen.

    B24: Flächenaufbereitung und Brownfields beschäftigen uns immer mehr. Daran ändert auch Corona nichts. Wie zufrieden sind Sie mit dem Jahr 2020 bisher?

    DH: Auch in diesem herausfordernden Jahr 2020 finden wir eine sehr gute Marktsituation vor. Wir konnten bisher ungebremst weiter produzieren. Im Grunde sind wir guter Dinge und gespannt, wie es sich weiterentwickelt. Den Markt für Flächenrecycling sehen wir sehr positiv. Die Umlaufgeschwindigkeiten von Flächen werden sich noch einmal verkürzen. Die Flächen drehen sich teilweise sehr schnell.

    Ein weitaus spannenderes Thema als Corona ist für uns die Energiewende – gerade was unseren Maschinenpark und den Transportpark angeht. Mit welchen Maschinen werden wir in zehn Jahren produzieren müssen? Wohin wird sich die Elektromobilität und die Wasserstoff-Technologie entwickeln? Das werden ganz wichtige Herausforderungen für unser Unternehmen. Wir werden uns frühzeitig genug einstellen.

    B24: Welche Branchenthemen müssten aus Ihrer Sicht endlich einmal angepackt werden?

    DH: Naja, da fällt mir spontan die Mantelverordnung ein. Was unsere Bestimmungen angeht, leben wir in einem zerfaserten Regelbereich. Teilweise müssen wir nicht nur bundes- und landesweite Unterschiede berücksichtigen, sondern sogar noch regionale und kommunale. Wir finden es bedauerlich, dass es da noch nicht zu einer einheitlichen Regelung gekommen ist. Wir arrangieren uns selbstverständlich und gehen damit professionell um. Aber ein bisschen hinderlich und strapaziös ist es schon. Da wünschen wir uns dringend Veränderung. Etwas weniger Bürokratie, etwas mehr Geschwindigkeit. Ich denke, in diesem Punkt spreche ich nicht nur für mich.