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    Interview mir Christoph Wortmann von WESSLING GmbH


    Brownfield24: Lange wurde über die MantelVO diskutiert und gestritten … nun scheint sie auf der Zielgeraden zu sein – oder doch nicht?

    Christoph Wortmann: Bundeseinheitliche Regelungen zum Umgang mit mineralischen Ersatzbaustoffen sowie eine Novellierung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung sind überfällig. Die Bundesregierung hat der MantelV mit Datum vom 12.05.2021 zugestimmt. Nun ist noch eine Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich. Ich bin jetzt mal optimistisch - aktuell werden Gesetzesvorhaben ja schnell beschlossen - und gehe davon aus, dass die 15 Jahre (das ist immerhin die Hälfte meines Berufslebens) anhaltende Diskussion nun ein Ende findet.

    Brownfield24: Was sind die wichtigsten Kernänderungen der MantelVO?

    Christoph Wortmann: Die Mantelverordnung besteht im Kern aus der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) und einer Novellierung der Bundes-Bodenschutz-und Altlastenverordnung (BBodSchV).

    Die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) ist die erste bundeseinheitliche gesetzliche Regelung zur Untersuchung, Einstufung und zum Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technischen Bauwerken und wird die länderspezifischen Regeln ablösen.

    Der Einbau und somit die Verwertung von mineralischen Ersatzbaustoffen in technischen Bauwerken (z.B. Verfüllung von Baugruben und Leitungsgräben sowie Einbau in Dämmen und Wällen, Tragschichten, Unterbau) wäre damit bundeseinheitlich geregelt.
    Für die jeweiligen Materialklassen sind Anforderungen an den Einbau definiert. Für Boden- und Recyclingbaustoffe zum Beispiel werden 26 Einbauweisen mit den hierbei einzuhaltenden Anforderungen beschrieben. Hierzu gehört u.a. auch der Abstand vom Einbaumaterial zum Grundwasser. Aus NRW sind wir die Einbauweisen in vergleichbarer Form gewohnt. Bundesweit ist das neu. Werden die vorgenannten Kriterien eingehalten, bedarf die Einbaumaßnahme keiner wasserrechtliche Erlaubnis.

    Grundsätzlich gilt, dass der Verbleib der mineralischen Ersatzbaustoffe oder eines Gemisches von der erstmaligen Inverkehrbringung bis zum Einbau in ein technisches Bauwerk mittels eines Lieferscheins dokumentiert werden muss. Der Verwender/Bauherr muss diesen Lieferschein u.a. mit Angaben zum Einbauort, der Einbauweise, der Bodenart der sogenannten Grundwasserdeckschicht, den höchsten zu erwartenden Grundwasserstand sowie der Lage der Baumaßnahme u.a. im Hinblick auf ein Wasserschutzgebiet ergänzen. Für bestimmte RC-Materialien (z.B. Bodenmaterial oder Baggergut der “guten Qualität” Klasse BM0 bzw. BG0) mit einer Masse kleiner 200 m³ kann dieses entfallen.
    Der Grundstückseigentümer hat die Dokumente so lange wie die Ersatzbaustoffe eingebaut sind, aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Behörde zu übergeben.
    Die Verwertung von “schlechteren Qualitäten” (z.B. Hausmüllverbrennungsaschen, Stahlwerks-/Hochhofenschlacken, Gießereisande, aber auch Bodenmaterial, Baggergut und Recycling-Baustoff der Klasse 3) sind anzeigepflichtig. Die Verwendung dieser Stoffe wird von der zuständigen Behörde in einem Kataster dokumentiert.

    Neu geregelt ist auch eine Untersuchungspflicht von Bodenmaterial und Baggergut durch den Erzeuger oder den Besitzer, sofern das Material in ein technisches Bauwerk eingebaut werden soll. Dieses ist unverzüglich nach dem Aushub oder dem Abschieben des Materials vorzunehmen (vgl. § 14 Abs. 1 EBV). Die Ergebnisse von in-situ-Untersuchungen können verwendet werden. Die Ergebnisse sind unverzüglich zu bewerten und in eine entsprechende Materialklasse einzustufen. Sofern das Material in ein Zwischenlager gemäß § 18 EBV befördert wird, entfallen die zuvor genannten Pflichten. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren und 5 Jahre aufzubewahren.

    Die mineralischen Recyclingbaustoffe, Bodenmaterial etc. werden anhand der in der EBV aufgeführten Materialwerte in Klassen eingestuft. Diese sind nicht mit den bisherigen Z-Einstufungen gemäß LAGA TR 20 vergleichbar. Das hängt u.a. damit zusammen, dass die durchzuführenden Eluatuntersuchungen gemäß EBV nun im Gegensatz zu den Untersuchungen gemäß LAGA statt mit einem Wasser-/Feststoffverhältnis von 10:1 in einem Verhältnis von 2:1 durchzuführen sind. Die neu abgeleiteten Materialwerte führen wahrscheinlich zu einer Verschiebung der Materialströme. Der Gesetzgeber schätzt die für die Wirtschaft zu erwartenden Mehrkosten selbst mit 150 bis 195 Mio. € pro Jahr aufgrund der zu erwartenden Stoffstromverschiebungen ab.

    Des Weiteren sind in der novellierten BBodSchV neue Vorsorgeanforderungen definiert. So sind z.B. Bodenmaterialien, die zur Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht auf- oder eingebracht werden sollen, vorab entsprechend zu untersuchen. Bei Mengen von kleiner 500 m³ reicht eine Inaugenscheinnahme. Des Weiteren ist das vorgenannte Aufbringen von Bodenmaterial größer 500 m³ mindestens zwei Wochen vor der Maßnahme der zuständigen Behörde anzuzeigen.
    Weiterhin sieht die novellierte BBodSchV die Begrenzung des TOC-Gehalte auf 1 Masse% für den Einbau von Material in den Unterboden oder Untergrund vor. Ausgenommen sind Materialien, in welchen der Kohlenstoff natürlich vorkommt oder auf einen zulässigen Anteil an mineralischen Fremdbestandteilen zurückzuführen ist und die Materialien nicht aus dem Oberboden stammen.

    Erstmals bundeseinheitlich wird auch der Einbau von Material unterhalb-/außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht (Gruben/Abgrabungen) geregelt.

    Eine Anforderung, die wahrscheinlich mehr die Greenfields betreffen dürfte, ist die Regelung zur Erstellung von Bodenschutzkonzepten im Vorfeld von Baumaßnahmen bzw. die Durchführung einer bodenkundlichen Baubegleitung. Dieses kann von der zuständigen Behörde bei Flächen größer 3.000 m² unter bestimmten Voraussetzungen gefordert werden.

    Grundsätzlich ist zukünftig die Probenahme gemäß BBodSchV durch einen Sachverständigen gemäß § 18 BBodSchG oder Personen vergleichbarer Sachkunde zu planen. Die Probenahme ist durch eine nach DIN/EN 17025 oder 17020 akkreditiertes oder entsprechend notifiziertes Unternehmen durchzuführen.

    Brownfield24: Die Entwicklung von Brownfields wird durch die neue MantelVO aber nicht unbedingt einfacher! Auf was muss der Entwickler zukünftig achten?

    Christoph Wortmann: Die Mantelverordnung gibt u.a. bei der Entwicklung von Brownfields zukünftig vor, unter welchen Voraussetzungen Materialien mit unterschiedlicher Qualität in den Untergrund/technischen Bauwerken eingebaut bzw. sofern Überschussmassen anfallen, extern verwertet werden können. Dabei sind neue Dokumentations- und Anzeigepflichten einzuhalten. Das Thema der Altlastensanierung steht zusätzlich im Fokus.

    Vor dem Hintergrund der neuen Regelungen der MantelV wird ist immer wichtiger, dass sich der Entwickler bereits in der Planungsphase neben den erforderlichen Baugrunduntersuchungen u.a. einen genauen Überblick über vorliegende Zusammensetzungen von Boden- und Auffüllungen, Altlasten sowie über die Menge und Qualität des gegebenenfalls beim Rückbau anfallenden Bauschutts macht.
    Aus Kosten- und Termingründen ist es des Weiteren sinnvoll, vor dem Beginn der Maßnahme ein genaues Massenmanagementkonzept zu erstellen. In diesem sollten genau Auf- und Abtragsmassen und -qualitäten unter Beachtung der Regelungen der Mantelverordnung definiert und durch Anpassung der Planung optimiert werden. Des Weiteren ist die Entsorgung von Überschußmassen zu planen.

    Sofern auf dem zu entwickelnden Brownfield eine zu sanierende schädliche Bodenveränderung und Altlast vorliegt, kann die Umlagerung von Bodenmaterialien in einem für verbindlich zu erklärenden Sanierungsplan (vgl. § 6 Abs. 1 BBodSchVneu) geregelt werden. Diese Möglichkeit hat es bisher auch schon gegeben, wird jedoch durch die neuen bundeseinheitlichen Regelungen zum Auf- oder Einbringen von Materialien auf oder in Böden (§§ 6 bis 8 BBodSchVneu gelten nicht, sofern ein für verbindlich erklärter Sanierungsplan vorliegt) im Hinblick auf eine Kostenreduzierung wichtiger.

    Brownfield24: Letzen Endes geht es um die Praxis – wie wird sich hier die MantelVO auswirken (und welche Rolle kann WESSLING in diesem Fall übernehmen)?

    Christoph Wortmann: Bundeseinheitliche Regelungen sind erstmal grundsätzlich zu begrüßen. Dies erleichtert die Arbeit von Unternehmen, die bundesweit tätig sind, so auch von WESSLING.

    Wie bereits zuvor dargestellt, sind zur Einhaltung der Anforderungen der MantelV im Vorfeld von Maßnahmen zur Brownfieldentwicklung entsprechende Untersuchungen und Überlegungen anzustellen. Da sich die Untersuchungsmethoden (Stichwort 2:1 Eluat statt 10:1 Eluat) sowie die Materialwerte zur Beurteilung geändert haben, kann das zu Massenverschiebungen bei der Verwertung und im schlimmsten Fall zu einer kostenintensiven Entsorgung führen. Das hier zur Zeit entsprechende Entsorgungskapazitäten fehlen, ist schon länger bekannt.

    Umso wichtiger ist es, sich bereits in der Planungsphase intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen, die die Mantelverordnung bietet (Stichwort Sanierungsplan).

    WESSLING kann hier durch die jahrelangen bundesweiten Erfahrungen mit der Brownfieldentwicklung und der intensiven Beschäftigung mit der Mantelverordnung die erforderlichen Schritten der Erkundung und Planung kompetent übernehmen und für den Entwickler durchführen.
    Sofern die Verordnung noch in diesem Sommer durch den Bundestag und den Bundesrat verabschiedet wird, tritt sie ab Sommer 2023 in Kraft. D.h. für die Planung solcher Projekte sind die Anforderungen der MantelV unmittelbar zu beachten.