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    Die neue Bauproduktenverordnung – Herausforderungen für Bauunternehmen


    Die Diskussion um die Bauproduktenverordnung ist eröffnet. Das Europäische Parlament hat den Vorschlag der Kommission zuletzt deutlich zurechtgestutzt. Viele Punkte sind aber noch umstritten - beispielsweise, ob auch direkt an der Baustelle hergestellte Bauprodukte erfasst sein sollen oder nicht. Und der digitale Produktpass soll auch für Bauprodukte kommen. Die Diskussionen werden intensiv – fest steht aber schon jetzt: Vor allem für Hersteller wird die neue Verordnung wird zu einer Überprüfung und Anpassung des innerbetrieblichen Pflichtenprogramms führen.

    Mit der kürzlich, am 11. Juli 2023, vorgelegten Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission hat das Europäische Parlament die Diskussion eröffnet. Im nächsten Schritt wird der Verordnungsentwurf zwischen Parlament, Kommission und Rat der EU abgestimmt. Möglicherweise wird er noch in diesem Jahr endgültig verabschiedet. Der Vorschlag der Kommission vom 30. März 2022 soll die bisherige Verordnung (VO EU 305/2011) ablösen. Mit der neuen Verordnung soll das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial der Baubranche erschlossen und die Klimaschutzziele des Green Deals und die Kreislaufwirtschaft gefördert werden.

    1. Was regelt die geltende Bauproduktenverordnung?
    Die Bauproduktenverordnung legt europaweit Grundanforderungen für Bauprodukte fest. Dies sind Produkte, die dazu bestimmt sind, in Bauwerke eingebaut zu werden und deren eigene Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks auswirkt. Sie betreffen z.B. Standsicherheit, Brandschutz, Gesundheit und Umweltschutz, Barrierefreiheit, Schallschutz und Energieeffizienz. Auf Grundlage der Bauproduktenverordnung erlässt die Kommission die technischen, harmonisierten Normen.

    2. An wen richtet sich die Bauproduktenverordnung?
    Die Bauproduktenverordnung richtet sich insbesondere an Hersteller, Importeure und Händler, die an der Vermarktung von Bauprodukten beteiligt sind. Die weitreichendsten Pflichten treffen Hersteller. Die Grenzen zwischen den betroffenen Wirtschaftsakteuren sind aber nicht immer trennscharf. Es kommt bei der Herstellereigenschaft nicht auf die eigentliche Produktion an, sondern darauf, ob der Wirtschaftsakteur mit seinem Namen für das Bauprodukt einsteht. Händler und Importeur können demnach als Hersteller unter der Bauprodukteverordnung gelten, wenn die Bauprodukte unter ihrem Namen auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden.

    3. Welche Pflichten treffen die einzelnen Wirtschaftsakteure?
    a) Hersteller – Konformität sicherstellen
    Den Hersteller treffen verschiedene Dokumentations-, Kennzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Zentraler Ausgangspunkt ist die Leistungserklärung. Der Hersteller muss eine technische Dokumentation erstellen und diese zusammen mit der Leistungserklärung zehn Jahre aufbewahren. Auf dieser Grundlage ist der Hersteller berechtigt und verpflichtet, die CE-Kennzeichnung an seinem Produkt anzubringen. Da die Konformität beständig sichergestellt sein muss, können – insbesondere bei Serienfertigungen – Stichproben angezeigt sein. Wenn Grund zur Annahme besteht (z.B. durch Reklamationen), dass das Produkt nicht mehr konform ist, müssen Korrekturmaßnahmen vorgenommen werden. Zur Einhaltung dieser Pflichten sind unternehmensinterne Organisationsstrukturen erforderlich, welche die Erhebung von relevanten Informationen, die Dokumentation sowie möglicherweise erforderliche Korrekturmaßnahmen sicherstellen.

    b) Händler und Importeure – vor allem Überprüfungspflichten
    Händler und Importeure müssen in erster Linie die äußeren Kennzeichen des Bauprodukts und das Vorhandensein der Leistungserklärung prüfen. Wenn Gefahren erkennbar werden, müssen unverzüglich die zuständigen Behörden informiert werden. Händler und Importeure sollten darauf achten, vom Hersteller alle Unterlagen zu erhalten, da sie in Bezug auf die technische Dokumentation, die Leistungserklärung, die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen einer Herausgabepflicht gegenüber den Behörden unterliegen. Dazu sollte ein unternehmensinternes Compliance-Management-System geschaffen werden, welches das Sammeln und Überprüfen der erforderlichen Informationen sowie mögliche Korrekturmaßnahmen sicherstellt.

    4. Was könnte sich durch die Novellierung der Bauproduktenverordnung ändern?
    a) Deutliche Ausweitung des Adressatenkreises
    Einigkeit besteht offenbar beim Adressatenkreis: Er soll deutlich erweitert werden und zukünftig auch Fulfillment-Dienstleister, Hersteller/Importeure/Händler von Materialien für den 3D-Druck von Produkten, Online-Verkäufer, Makler, Eigenmarken-Etikettierer oder jede andere Person, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Bauprodukten erfassen.

    b) Der digitale Produktpass kommt auch für Bauprodukte
    Die bestehenden Kennzeichnungs-, Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der Hersteller sollen digitalisiert werden. So soll die Leistungserklärung zukünftig auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt werden. Nach dem Europäischen Parlaments sollen Produktinformationen zukünftig im digitalen Produktpass abrufbar sein. Der digitale Produktpass hat in neuen EU-Rechtsakten derzeit Hochkonjunktur: Er soll die Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen, aber auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt zusammenfassen. Unternehmen müssen somit Strukturen schaffen, in denen alle relevanten Informationen gesammelt, zentral zusammengeführt und gespeichert werden.

    c) Anforderungen an Nachhaltigkeit – auch für Verpackung
    Dazu kommt eine ganze Reihe neuer Pflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Bauprodukte. Hersteller müssen die bezüglich ihrer Umweltmerkmale bewerten. Sie müssen die Verpackungen nach dem aktuellen Stand der Technik mit Blick auf Umwelt- und Klimaverträglichkeit wählen sowie die Vorgaben für Recyclinganteile beachtet werden.

    5. Fazit
    Die geplante Novellierung der Bauproduktenverordnung ist noch in vollem Gange. Klar ist bereits jetzt: Die Organisation der innerbetrieblichen Compliance-Pflichten wird notwendiger denn je. Formal gilt dies insbesondere für den neuen digitalen Produktpass. Auch Nachhaltigkeitsanforderungen beispielsweise für Verpackungen, die bislang nicht im Zentrum standen, werden wichtiger.