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    Brownfield24 im Interview mit Michael Kalthoff, Finanzvorstand der RAG Aktiengesellschaft


    Brownfield24: Herr Kalthoff, die RAG Aktiengesellschaft ist ja im Wesentlichen bekannt als Unternehmen, das sich bis Ende 2018 für die Steinkohleförderung in Deutschland verantwortlich zeigte. Was ist denn ihr Bezug zu Brownfields und der Immobilienwirtschaft?

    Michael Kalthoff: Schon vor 45 Jahren hat der RAG-Konzern festgestellt, dass es zur Optimierung der immobilienwirtschaftlichen Tätigkeiten effizienter ist, eine eigene Abteilung bzw. ab 1977 eine eigene Unternehmenstochter an den Start zu bringen. Zu Anfang ging es dabei um zahlreiche liegenschaftliche Themen, wie z.B. Grundstücksankäufe für Bergwerksstandorte, die immobilienwirtschaftliche Sicherung von Abbauregionen, die Abführung von Grundsteuern oder die sogenannten Verkehrssicherung- und Ordnungspflichten (V&O-Aufgaben).

    Allerdings erfolgte Ende 1968, mit der Gründung der damaligen Ruhrkohle AG, dem Vorläufer der heutigen RAG, die systematische Rückführung des Bergbaus, der eben Ende 2018 mit der Schließung der letzten aktiven Zeche in Bottrop auslief. In Folge der Stilllegungen der Schachtanlagen und des Rückzugs des Steinkohlenbergbaus aus den Regionen wurden immer mehr Flächen frei für neue Nutzungen oder besser gesagt für eine Revitalisierung. Insofern ist der Markenkern unsere Immobilientochter, die RAG Montan Immobilien, quasi die Entwicklung von „Brownfields“.

    Brownfield24: Auf der Startseite Ihrer Homepage www.rag-montan-immobilien.de heißt es in der Überschrift stolz „Auf Flächen Zukunft gestalten“. Was verbirgt sich dahinter?

    Michael Kalthoff: Seit der Gründung der eigenen Immobiliengesellschaft – erst als Montan-Grundstücksgesellschaft und später als RAG Montan Immobilien bekannt – hat das Unternehmen seit 1977 insgesamt 10.000 Hektar ehemalige Flächen des Bergbaus, also ehemalige Zechen-, Kokerei-, Verwaltungs- oder Werkstattstandorte nach der Freisetzung saniert, aufbereitet und dort neue Nutzungen realisiert. Dazu gehören moderne Gewerbe- und Technologieparks, lebenswerte Wohn- und Stadtquartiere, nachhaltige Freizeit- und Naherholungsgebiete, pulsierende KreativQuartiere und effiziente Logistikparks. Allein im vergangenen Jahr hat die RAG Montan Immobilien rund 700.000 Quadratmeter Fläche für nachhaltige Entwicklungen auf den Markt gebracht. Wir haben allein mit der Vermarktung in Nordrhein-Westfalen und im Saarland in 2021 rund 13,3 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. 2020 haben wir rund 53 Hektar ehemalige Bergbauflächen vermarktet mit rund 19 Mio. Euro Umsatz. Unsere Vermarktungserfolge verdeutlichen, dass wir durch unser nachhaltiges Flächenrecycling ehemaliger Bergbauareale einen wichtigen Beitrag zum Strukturwandel in den ehemaligen Bergbauregionen geleistet haben und weiter leisten werden.

    Brownfield24: Verstehen Sie sich also als einer der großen Flächenzulieferer für neue Gewerbe- und Wohnquartiere in Deutschland?

    Michael Kalthoff: Das ist vielleicht ein bisschen zu weit gefasst. Aber für den Ballungsraum der Metropole Ruhr und für das Saarland waren und sind wir immer noch ein wichtiger Akteur auf dem Immobilienmarkt, wenngleich unsere Flächen endlich sind und wir in den nächsten Jahren die letzten Bergwerksstandorte für neue Nutzungen entwickeln. Doch mit der Revitalisierung dieser Standorte tragen wir zum nachhaltigen Schutz der wertvollen Ressource Boden bei. Darüber hinaus bieten wir angesichts des Flächenengpasses bei Gewerbe- und Industrieflächen in der Metropole Ruhr auch neue attraktive Grundstückangebote für Häuslebauer, Gewerbetreibende und Investoren an. In 2021 waren das für den Bau von Wohnimmobilien knapp 20.000 Quadratmeter Grundstücksflächen und rund 680.000 Quadratmeter für die gewerbliche Nutzung.

    Brownfield24: Sie sprachen es bereits an ihre Flächen sind endlich, was heißt das für die Immobilientochter und die ehemaligen Bergbauregionen und ihren Wandel.

    Michael Kalthoff: Ich denke in den kommenden zehn Jahren werden wir noch sukzessive einen beachtlichen Flächenbestand revitalisieren und auf den Markt bringen. Ich möchte nur einige der großen Projekte benennen.
    Im Ruhrgebiet stehen im Jahr 2022 zwei Wohnbauprojekte im Vordergrund, die Realisierung des Wohnquartiers „Wohnen am Stadtteilpark“ in Gelsenkirchen-Hassel und die Entwicklung des Wohnbaugebietes „Waldsiedlung Weddinghofen“ im gleichnamigen Stadtteil in Bergkamen.

    Bei der gewerblichen Entwicklung sind fünf Projekte aufgrund ihres Flächenumfangs besonders hervorzuheben. In Marl realisiert die RAG Montan Immobilien gemeinsam mit der Stadt auf dem über 30 Hektar großen Areal des ehemaligen Bergwerkes Auguste Victoria 3/7 das Gewerbe- und Industriegebiet „gate.ruhr“ – eines der wichtigsten Entwicklungsprojekte im Kreis Recklinghausen.

    An der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Herten Hassel arbeitet die gemeinsame „Entwicklungsgesellschaft Neue Zeche Westerholt“ (EGNZW) der RAG Montan Immobilien und der beiden Kommunen an der Revitalisierung des über 30 Hektar großen Areals des ehemaligen Bergwerkes Westerholt.

    In Kamp-Lintfort am Niederrhein ist die Entwicklung des Standortes des ehemaligen Bergwerks West, mit Kohenlagerareal, Parkplatz- und Werkstattflächen über 60 Hektar groß, schon weit fortgeschritten. Ende 2021 veräußerten wir an dem Standort über 42.000 Quadratmeter Fläche an einen Projektentwickler aus Meerbusch, der in Kamp-Lintfort attraktive Wohnbauprojekte realisiert. Im Osten des Ruhrgebietes in Hamm haben wir noch das ehemalige Bergwerk Ost/Heinrich Robert mit einer Gesamtfläche von rund 55 Hektar, das wir seit September 2017 gemeinsam mit der Entwicklungsagentur „CreativRevier Heinrich Robert“ entwickeln. Daran beteiligt sind die Wirtschaftsförderung Hamm, die RAG Montan Immobilien und die Prisma GmbH & Co. KG aus Dorsten. Das gemeinsame Ziel: Innerhalb der nächsten Jahre sollen dort verkehrsfähige Wohn-, aber auch Gewerbe- und Handelsgrundstücke für Unternehmen aus der Kultur-, Kreativ- und Freizeitwirtschaft entstehen. Abschließend möchte ich noch auf das Entwicklungsprojekt „Freiheit Emscher“ im zentralen Ruhrgebiet verweisen. Ambitioniertes Ziel gemeinsam mit den Städten Bottrop und Essen ist es, in einem zusammenhängenden Planungsraum von 1.700 Hektar im Süden von Bottrop und Norden von Essen neuen Raum für Wohnen, Gewerbe und eine verkehrliche Infrastruktur zu schaffen. Integriert in das Projekt sind als Nukleus der Entwicklung allein über 150 Hektar ehemalige Bergbauflächen der RAG – ich habe es einmal als unser Meisterstück bezeichnet.

    Insofern blicken wir positiv in die Zukunft. Wir werden auch in den kommenden Jahren weiterhin attraktive Grundstücke anbieten. Dem steht eine rege Nachfrage sowohl für Wohnbaugrundstücke als auch für Gewerbe- und Industrieflächen gegenüber - vor allem im Ruhrgebiet.

    Die RAG Montan Immobilien GmbH
    Das Unternehmen bündelt seit 45 Jahren ein vielseitiges Know-how rund um Immobilien und Flächen. Schwerpunkt der Immobilientochter der RAG Aktiengesellschaft ist inzwischen die Entwicklung und Vermarktung vorgenutzter Bergbaustandorte. Diese werden nachhaltig saniert und für unterschiedliche Nachfolgenutzungen aufbereitet. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1977 sind auf rund 10.000 Hektar ehemaliger Bergbauflächen moderne Gewerbe- und Industriegebiete, Standorte für Photovoltaik- und Windkraftanlagen, moderne Wohngebiete, Einzelhandelszentren, sowie Grün-, Freizeit- und Naherholungsflächen realisiert worden. Mit den Bereichen Flächenentwicklung, erneuerbare Energien, Boden- und Stoffstrommanagement unterstützt RAG Montan Immobilien erfolgreich den Strukturwandel im Ruhrgebiet und im Saarland.