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    Interview mit Tanja Spennlingwimmer und Dan Dutescu von der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria


    Das Thema „Nachhaltige Gewerbegebietsentwicklung“ hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Da es sich dabei um eine komplexe Materie handelt, brauchen Gemeinden, Interkommunale Betriebsansiedlungsverbände und Wirtschaftsparks Unterstützung. Brownfield24 hat mit Tanja Spennlingwimmer und Dan Dutescu von der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria über nachhaltige Standortentwicklung und Brachflächenrevitalisierung im Nachbarland gesprochen.

    Brownfield24: Frau Spennlingwimmer, Sie leiten das Investoren- und Standortmanagement in der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria. Was kann ich mir unter einer Standortagentur vorstellen, was sind Ihre Aufgaben?
    Tanja Spennlingwimmer: Als Standortagentur bündeln wir alle Kompetenzen, mit denen das Land Oberösterreich Unternehmen aus dem In- und Ausland dabei unterstützt, in unserem Bundesland erfolgreich zu sein. Wir bieten den Betrieben maßgeschneiderte Lösungen für ihre Investitions- und Innovationsvorhaben – von der Betriebsansiedlung über Förderberatung und Vernetzung mit Kooperationspartnern bis hin zum Finden, Qualifizieren und Binden von Fachkräften. Im Investoren- und Standortmanagement entwickeln wir Betriebsgebiete, unterstützen bei der Standortsuche, beraten zu nationalen und internationalen Förderungen und begleiten Unternehmen bei Behördenkontakten und Genehmigungsverfahren.

    Brownfield24: Herr Dutescu, Sie sind Experte für das Thema Brachen- und Leerstandsmanagement bei Business Upper Austria. Welches Potenzial sehen Sie in der Revitalisierung von Brachen und Leerständen für Oberösterreich?
    Dan Dutescu: Die alternative Nutzung von leerstehenden Gebäuden und brachliegenden Flächen ist ein wichtiger Beitrag, um dem wachsenden Bodenverbrauch sinnvoll entgegenzuwirken. In der Raumordnungsstrategie #upperREGION2030 hat das Land Oberösterreich festgelegt, die Entwicklung nach innen anstatt nach außen durch die Aktivierung von Baulandreserven, Leerständen und Brachflächen zu forcieren. Bevor für Betriebsansiedlungen oder -erweiterungen Flächen neu gewidmet werden, sollen vorhandene leerstehende Gebäude oder brachliegende Flächen genutzt werden. Bei unserer Brachenerhebung im Frühjahr 2021 haben wir festgestellt, dass in Oberösterreich 277 Areale im Gesamtausmaß von 110 Hektar brachliegen. Wir sind gerade dabei, mit allen Eigentümern Kontakt aufzunehmen, um ihre Objekte für eine Nachnutzung zu mobilisieren. Optimalerweise können die erhobenen Objekte wieder in Verkehr gebracht werden. Dafür werden die leerstehenden Gebäude und Brachen in unserer Standortdatenbank standortooe.at erfasst und in regelmäßigen Abständen aktualisiert, um möglichst viele der Objekte wieder einer nachhaltigen Nutzung zuzuführen. Die Brachenerhebung wollen wir künftig alle drei Jahre wiederholen.

    Brownfield24: Gibt es in Oberösterreich auch schon Beispiele für erfolgreich revitalisierte Objekte?
    Dan Dutescu: Ja, da gibt es sogar einige. Eines der bekanntesten Vorzeigeprojekte in Oberösterreich ist die Tabakfabrik Linz, die nach Stilllegen des Betriebs im Jahr 2009 heute vor allem Raum für Start-ups und die Kreativszene bietet. Daneben gibt es noch viele weitere erfolgreich umgesetzte Projekte wie das spinnerei designhotel auf dem Areal des früheren Ebelsberger Hofs, der neue Standort der Firma DRG Dicht- und Klebetechnik auf einem brachliegenden Gewerbegebiet in Lengau oder das Gästehaus Weitblick in einer alten Tischlerei in St. Leonhard bei Freistadt.

    Brownfield24: Und welche neuen Revitalisierungsprojekte sind im Entstehen?
    Dan Dutescu: Mit der Firma UPM-Kymmene Austria und verschiedenen Stakeholder-Gruppen arbeiten wir derzeit an der Ideenfindung für eine attraktive Nachnutzung der ehemaligen Papierfabrik Steyrermühl. In Neufelden im Mühlkreis entsteht durch die Revitalisierung, Modernisierung und Erweiterung einer Tischlerei demnächst das Dynacenter – ein Businesspark, der Wirtschaft, Kultur, medizinische Versorgung und Gesellschaftsleben unter einem Dach vereint. Und auch das Unternehmen Grüne Erde befindet sich in der Konzeptionsphase für ein großes Projekt: Der Ökopionier hat von der Firma Redtenbacher einen Großteil des Geländes des alten Sensenwerks in Scharnstein erworben und errichtet dort den neuen „Grüne Erde-Campus am Almfluss“.
    Tanja Spennlingwimmer: Voriges Jahr haben wir mit der Ausschreibung des #upperREGION Awards zudem erstmals die besten Ideen für die Revitalisierung leerstehender Gebäude und brachliegender Flächen aus Oberösterreich prämiert. Eines der Gewinnerprojekte ist der Gewerbepark Pramtal. 20 Jahre stand das Areal des stillgelegten Milchtrockenwerks der Schärdinger Molkerei in Taufkirchen an der Pram leer, ehe es 2018 von der KSimmo Gmbh erworben und revitalisiert wurde. Rund 20 Firmen aus unterschiedlichen Branchen sind nun in der ehemaligen Industrieruine eingemietet. Auch heuer suchen wir wieder nach Vorzeigebeispielen für nachhaltige Standortentwicklung und verleihen am 3. Mai bei unserer OÖ Roadshow im Innviertel bereits zum zweiten Mal den #upperREGION Award.

    Brownfield24: Der Trend zur Nachnutzung von Brachen nimmt sichtlich zu. Was raten Sie Unternehmen, die am Anfang einer Revitalisierung stehen?
    Tanja Spennlingwimmer: Holen Sie sich Unterstützung! Die Aufbereitung einer Liegenschaft für ein Nachfolgeprojekt ist oft mit komplexen Herausforderungen verbunden. Dies führt häufig dazu, dass Investoren den Bau auf der grünen Wiese bevorzugen und sich letzten Endes gegen Bodenrecycling entscheiden. Als Standortagentur helfen wir Eigentümern, Unternehmen und Gemeinden in Oberösterreich bei der Revitalisierung von Brachen durch professionelle Beratung und der Vernetzung mit Expertinnen und Experten. Außerdem begleitet unser interdisziplinäres Team bei der Ideenfindung und Konzeptentwicklung. Bei Altstandorten gibt es Unterstützung durch das Umweltbundesamt: In einem ersten kostenlosen Screening wird der Aufwand für die Bereinigung eingeschätzt. Das Angebot kann in Absprache mit unseren Projektmanager:innen im Investoren- und Standortmanagement in Anspruch genommen werden.

    Brownfield24: Welche Angebote haben Sie neben dieser umfassenden Beratung und Begleitung noch für interessierte Investoren?
    Tanja Spennlingwimmer: Wir haben voriges Jahr auch ein Handbuch produziert, das zeigt, wie Standorte unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten optimiert und entwickelt werden können. Beim OÖ Zukunftsforum, unserer großen Jahresveranstaltung vom 8. bis 9. März in Linz, dreht sich ebenfalls alles um das Thema Nachhaltigkeit. Die Session „Lebenswerter Wirtschaftsraum“ am 8. März widmet sich beispielsweise der Frage, wie nachhaltige Standortentwicklung unsere Lebensqualität beeinflusst. Im anknüpfenden Workshop am 9. März geht es unter anderem um die Kreativwirtschaft als Booster gegen Leerstand, zudem besichtigen wir die Ausstellung „Boden für alle“ vom afo architekturforum oberösterreich.