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    Interview mit Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer von GARBE Industrial Real Estate


    Garbe Industrial Real Estate ist seit über 25 Jahren ein bedeutender, unabhängiger Kooperationspartner für Transport- und Logistikdienstleister, Handel und produzierendes Gewerbe. Das Unternehmen entwickelt, kauft bzw. verkauft, vermietet, verwaltet und finanziert hochwertige Gewerbeimmobilien an attraktiven nationalen und internationalen Standorten. Aktuell betreuen die Spezialisten aus Hamburg 158 Objekte in drei Ländern mit rund 4,4 Millionen Quadratmetern vermietbarer Fläche. Wir haben mit Garbe-Geschäftsführer Jan Dietrich Hempel über die Entwicklung von Brownfields gesprochen.

    B24: Herr Hempel, bitte sagen Sie doch ein paar Worte zu Ihrem Unternehmen und welchen Raum Brownfield-Entwicklungen darin einnehmen. In diesem Bereich ist Garbe ja alles andere als ein Neuling.

    Jan Dietrich Hempel: Das stimmt. Dem Thema Brownfield kann bei uns im Hause keiner ausweichen. Garbe ist schon seit vielen Jahren am Markt. Wir waren unter den ersten, die konsequent die Themen Logistik und Logistikfonds in Deutschland besetzt haben. Seit über 20 Jahren sind wir auch im Bereich der Brownfields unterwegs, haben damit also zu Zeiten angefangen, wo viele sich an diese Flächen gar nicht rangetraut haben.
    Heute haben wir sowohl in der Projektentwicklung als auch in den verwalteten Beständen sehr viele Brownfield-Situationen. Wir kaufen auch gezielt Flächen, die typische Brownfield-Merkmale aufweisen. Kontamination, Altlasten – wenn man damit vernünftig umgeht, kann man Wertschöpfung erzielen.

    B24: Was waren in all den Jahren Ihre spannendsten Projekte?

    Jan Dietrich Hempel: Das kann ich Ihnen gar nicht so präzise sagen. Die Mehrheit unserer Projekte sind Brownfields. Da warten immer die unterschiedlichsten Herausforderungen. Spannend kann es bei jedem Projekt werden – vor allem bei Mehrfachbelastungen. Bei zwei Projekten in Salzgitter zum Beispiel, wo wir für Alstom Brownfields revitalisiert haben, kamen zu den schwerindustriellen Bodenbelastungen noch Altlasten aus dem zweiten Weltkrieg: Blindgänger, vergrabene Flakbefestigungen, alte Bunker unter einer Betonbodenplatte. Das Gelände war eine echte Wundertüte.

    Die Revitalisierung der Westfalenhütte mit 450.000 Quadratmeter war sicherlich auch ein hochinteressantes Projekt. Das ist aber schon länger her. Wie gesagt, Garbe hat Brownfields schon sehr früh als Herausforderung angenommen. Damals gab es nicht soviel Konkurrenz wie heute. Risikobereitschaft und Know-how-Aufbau wurden mit höheren Margen belohnt. Heute ist die Lage anders. Immer mehr Marktteilnehmer beschäftigen sich notgedrungen mit diesen Flächen, weil Knappheit herrscht.

    B24: Das bringt mich zu meiner nächsten Frage: Warum waren Sie vor 20 Jahren schon dabei? Flächenknappheit war doch damals noch kein Thema.

    Jan Dietrich Hempel: Wir sind Hamburger. Hier darf man beim Ankauf von attraktiven Objekten, die gut vermietbar sind – im Hamburger Hafengebiet zum Beispiel oder an anderen logistischen Hotspots –, vor belasteten Flächen nicht zurückschrecken. Das wäre ein taktischer Fehler. Man muss solche Projekte und Objekte mit Nüchternheit und Sachverstand angehen. Dann sind sie auch rentabel.

    Gerade bei Bodenverunreinigungen fürchten sich viele Entwickler vor den Eingriffen der Behörden oder den ausufernden Sanierungskosten. Aber in Wahrheit sieht es doch so aus: Auch die Gesprächspartner in den Behörden haben großes Interesse daran, dass die Umweltprobleme gelöst und diese Flächen wirtschaftlich weiter genutzt werden können. Wenn man eine Routine entwickelt hat – und das haben wir –, kann man gemeinsam gute Sanierungsziele vereinbaren und Verträge schließen, die diese Objekte auch für Investoren geeignet machen, die in dieser Beziehung noch zurückhaltend sind.

    B24: Derzeit entwickeln Sie in Hanau ein Brownfield mit ehemaliger Bunkeranlage. Was sind hier die Herausforderungen und wie konnten diese gelöst werden?

    Jan Dietrich Hempel: In Hanau liegt die Herausforderung nicht so sehr in der Umweltbelastung, sondern eher im Rückbau. Dort stehen Bunkeranlagen, die für die Endlagerung von Atommaterial errichtet und nie genutzt wurden. Das bringt nicht alltägliche Dinge wie Lockerungssprengungen mit sich. Das politische Umfeld – immerhin geht es um ein ehemaliges Atomlager – ist ebenfalls anspruchsvoll.

    Rund 50 Prozent der Garbe-Projekte haben Brownfield-Charakter. Spektakuläre Hasardeur-Projekte machen wir aber nicht. Die müssen schon in einem absehbaren Zeithorizont zu erledigen sein. Unser Geschäft ist ja Development. Und das lohnt sich nur, wenn man schaffbare Problematiken hat. Wie bei dem ehemaligen Ikea-Gelände in Werne. Dort lassen wir 50.000 qm Halle stehen, um sie ohne Vernichtung grauer Energie weiter zu vermieten. Eine größere Fläche wird abgeräumt, um etwa 100.000 qm Halle neu zu erbauen.

    B24: Es kommt einem so vor, als ob die Brownfield-Entwicklung in Deutschland – gerade auf politische Ebene – noch nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie benötigt. Was muss Ihrer Meinung getan werden, damit sich dies ändert?

    Jan Dietrich Hempel: Ich glaube nicht, dass es große Mengen staatlicher Gelder braucht, um da etwas voranzubringen. Das wäre auch gar nicht wünschenswert. Viel wichtiger wäre, dass sich die Erkenntnis, dass Wirtschaft und Konsum nicht ohne Logistik funktionieren, breiter durchsetzt. Heute werden viele logistikgeeignete Grundstücke nach und nach in ihrer Nutzung eingeschränkt, um sie in Richtung Büro und Wohnen zu schieben.

    Die Städte sollten diese Flächen neu anschauen und anders bewerten – oder sie, was die geforderten Emissionswerte und Fahrzeugfrequenzen angeht, zumindest auf dem gleichen Stand wie vorher belassen. Städte sind lebendige Organismen und brauchen Logistik, gerade unter dem Stichwort »letzte Meile«.
    Die Logistik ist nun mal eine entscheidende Funktion des Wirtschaftskreislaufes und wir müssen konstruktiv mit ihr umgehen. Vermeidungsstrategien helfen keinem weiter. Die Digitalisierung und den E-Commerce-Boom können wir auch nicht zurückdrehen. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie fragil einige Strukturen in unserer Gesellschaft noch sind und wie unabdingbar Logistik ist.