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    Finanzierung von Brownfield-Flächen


    PRESSEMITTEILUNG unseres Premiumpartners Oppenhoff & Partner Rechtsanwälte Steuerberater mbB:

    Finanzierung von Brownfield-Flächen

    Obwohl das Thema zurzeit von den weitreichenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Restriktionen etwas in den Hintergrund gedrängt wird, haben „ESG“ (Kürzel für “Environmental, social und governance” Kriterien) und (ökologische) Nachhaltigkeit in den letzten Jahren für Projektentwicklungen und deren Finanzierung enorm an Wichtigkeit gewonnen. Nach-dem ESG Kriterien lange Zeit auf mehr oder minder freiwilliger Basis relativ schleppend Einzug in die Anlage- und Geschäftsstrategien von Unternehmen, Investoren und Kreditgebern gefunden hatten und nicht zuletzt genutzt wurden, um öffentlichkeitswirksam den eigenen Ruf zu verbessern bzw. zu stärken, sind ESG und insbesondere ökologische Nachhaltigkeit zunehmend auch in den gesetzgeberischen und aufsichtsrechtlichen Fokus gelangt. Beginnend in diesem Jahr wird z. B. die Offenlegung bestimmter Aspekte ihres Umgangs mit Nachhaltigkeit für eine Reihe von Unternehmen verpflichtend.

    Die Risiken, welche sich aus ESG und Nachhaltigkeit für Investoren und Kreditgeber ergeben können, dringen zunehmend in den Fokus nicht nur der betroffenen Geschäftsleitungen, sondern auch der dahinterstehenden Anteilseigner. So können Investitionen in Projekte mit einem längeren Zeithorizont immer stärker vom Risiko rechtlicher und regulatorischer Änderungen betroffen sein. Daneben unterliegt die soziale Akzeptanz bestimmter Geschäftsmodelle in immer kürzeren Abständen starken Schwankungen, da sie von einer zunehmenden Zahl von Politikern, NGOs und Medien entweder massiv gefördert oder mit teils radikalen Forderungen in Frage gestellt werden.

    ESG-Kriterien
    Der tatsächliche inhaltliche Gehalt von „ESG“ war lange Zeit relativ unbestimmt und trotz der Verfügbarkeit von „ESG Ratings“ haben allgemeingültige Kriterien bisher gefehlt; eine Vergleichbarkeit von Unternehmen hinsichtlich ihrer ESG Strategien war entsprechend schwierig bis unmöglich. Die EU hat versucht, hier Abhilfe zu schaffen, indem sie in Verordnung (EU) 2020/852 („Taxonomieverordnung“) eine Präzisierung der ökologischen Nachhaltigkeitsaspekte von ESG versucht. Die ökologische Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten wird dabei mittels 4 Tests bestimmt, so vor allem, ob die Aktivität einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der ebenfalls in der Taxonomieverordnung aufgeführten Umweltziele leistet und inwiefern eine Aktivität diese Umweltziele gegebenenfalls erheblich beeinträchtigt.

    Die sechs Umweltziele umfassen:
    • Klimaschutz;
    • Anpassung an den Klimawandel;
    • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen;
    • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;
    • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung;
    • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

    Die Verbesserung der Luft-, Wasser- oder Bodenqualität in Gebieten, in denen die Wirtschaftstätigkeit stattfindet, fällt laut Taxonomieverordnung ausdrücklich unter das fünfte oben genannte Umweltziel, womit Brownfield Projekte grundsätzlich einbezogen werden können.

    Mittels noch festzulegender technische Bewertungskriterien soll messbar gemacht werden, welche Wirtschaftstätigkeiten unter welchen Bedingungen die Umweltziele entweder fördern oder beeinträchtigen. Grundsätzlich kommen für eine Bewertung nicht nur solche Tätigkeiten in Betracht, die die Ziele direkt fördern bzw. beeinträchtigen, sondern auch solche, welche diese Tätigkeit ermöglichen.

    Offenlegungspflichten
    Kapitalmarktteilnehmer werden unter einer Reihe verschiedener Verordnungen und Vereinbarungen zunehmend zur Offenlegung ihrer ESG Strategien verpflichtet.

    Verordnung (EU) 2019/2088 (welche nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor betrifft) in der durch die Taxonomieverordnung geänderten Fassung verpflichtet „Finanzmarktteilnehmer“, ab dem 10. März 2021 u. a. auf ihren Internetseiten öffentlich zu machen, wie sie ökologische Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen bzw. Finanzprodukten oder Beratungsleistungen berücksichtigen. Finanzmarktteilnehmer umfasst hierbei unter anderen Banken, Versicherern, Pensions- und Investmentfonds. Zusätzliche Berichtspflichten folgen dann im März 2022.

    Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin”) hat ihrerseits für von ihr beaufsichtigte Institute (Kreditinstitute, Versicherer und Kapitalverwaltungsgesellschaften) ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ herausgegeben, welches zwar unverbindlich ist, aber die Erwartung ausdrückt, dass sich die beaufsichtigten Unternehmen mit den dort von BaFin mannigfaltig aufgeführten potentiellen Risiken für ihr Geschäft (wobei nicht zuletzt immer wieder Reputationsrisiken betont werden) auseinandersetzen und dies dokumentieren.

    Auf freiwilliger Basis haben sich zudem mehr als 100 Finanzinstitute, darunter auch einige der großen deutschen Banken, den „Equator Principles“ verschrieben, welche der Bestimmung, Bewertung und Steuerung von Umwelt- und Sozialrisiken in Projekten dienen und Mindeststandards für verantwortungsvolle Risikoentscheidung bei Projektfinanzierungen darstellen sollen. Je nachdem, als wie umwelt- oder sozialschädlich ein Projekt kategorisiert wird, erfordert dieses dann seitens der finanzierenden Bank ein „Environmental and Social Impact Assessment“.

    Freiwillig verpflichtet haben sich auch inzwischen mehr als 3.000 Anlagegesellschaften und Dienstleistern den „Principles of Responsible Investment“ (PRI), welche ihrerseits das Ziel haben, verantwortungsvolle Investitionen unter ESG Gesichtspunkten zu befördern.

    Kurz- bis mittelfristig ist zudem seitens der EU geplant, eine Pflicht für Anlageberater einzuführen, bei ihren Kunden auch Präferenzen hinsichtlich Nachhaltigkeit zu erfragen. Dies wird möglicherweise noch dieses Jahr erfolgen.

    Attraktivität von Brownfield Projekten
    Unter dem zunehmenden politischen, regulatorischen und öffentlichen Druck und angesichts der ebenfalls zunehmenden Transparenzpflichten werden die Finanzierung und auch Versicherung bestimmter als schädlich verorteter Aktivitäten inzwischen signifikant zurückgefahren. Sorgen um den Ruf und die Furcht, dass unter ESG Kriterien als negativ einzustufende Investitionen unverhofft nicht, oder nur mit großen Verlusten, weiterverkäuflich sein könnten, treiben institutionelle Investoren, Kreditgeber und Versicherer dazu an, vermehrt in „nachhaltige“ bzw. ESG konforme Projekte, welche zudem häufig als politisch und regulatorisch weniger risikoreich erscheinen, zu investieren bzw. diese zu versichern. Obwohl in einer Welt der Niedrig- bzw. Negativzinsen idealerweise auch noch eine gute Kapitalrendite generiert werden soll, sind Kreditgeber bei der Fremdfinanzierung entsprechender Projekte zunehmend bereit, diese bei entsprechendem ESG Rating auch durch niedrigere Zinsen für den Kreditnehmer zu fördern.

    Die Sanierung und ggf. Umwidmung von Brownfield Flächen vermag unter ESG Gesichtspunkten auf mehrere Arten zu punkten.

    Ökologische Nachhaltigkeit wird häufig durch die Sanierung und Revitalisierung von kontaminierten und nicht mehr nutzbaren Flächen befördert. Je nach Art der neuen Nutzung wird zudem ein positiver sozialer Effekt auf die umliegende Gemeinde zu verzeichnen sein, z. B. durch die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung infolge der Dekontaminierung oder durch Schaffung neuen Wohnraums und/oder die Revitalisierung und Modernisierung der vorhandenen Infrastruktur. Ein positiver wirtschaftlicher Effekt wird ebenfalls häufig zu verzeichnen sein, und möglich-erweise eine Verringerung der Arbeitslosigkeit in der Region durch Schaffung neuer Arbeitsplätze während der Realisierung des Projekts und ggf. darüber hinaus.

    Je nach den Umständen des Einzelfalls werden diese Effekte von Investoren bzw. Kreditgebern bei ihren Entscheidungen über ein Engagement berücksichtigt und gewichtet. Das ESG Rating eines Projektes (ob intern durch die Bank oder extern durch einen Dienstleister) beeinflusst zunehmend zusätzlich zu traditionellen finanziellen Ausfallrisikokriterien die Höhe der Zinsen für die Finanzierung eines relevanten Projektes. Für Kreditgeber kann ein Projekt mit guter ESG Bilanz den Weiterverkauf des Kreditengagements bedeutend erleichtern. Auch kann eine robuste ESG Reputation Beteiligungsunternehmen dabei helfen, zusätzliches Kapital von Pensionsfonds, Versicherern und anderen institutionellen Anlegern zu mobilisieren.

    Obwohl sich die Entwicklung von Projekten auf Brownfield Flächen trotz eventuell zur Verfügung stehender Förderungen und Subventionen häufig als teurer und nicht zuletzt unter Haftungsgesichtspunkten komplexer gestalten kann als die Entwicklung von Greenfield Flächen, ist daher davon auszugehen, dass sie angesichts der zunehmenden Suche von Investoren und Kreditgebern nach ESG konformen Investitionen weiter an Attraktivität gewinnen werden.

    Um die Gespräche mit potentiellen Finanzierern möglichst effizient zu gestalten, empfiehlt es sich für Projektentwickler, in den Exposés, welche sie bezüglich des individuellen geplanten Projekts erstellen, frühzeitig als separaten Punkt möglichst detailliert herauszuarbeiten, inwiefern das Projekt ESG Kriterien erfüllt. Je nach Art des Projekts kann hier der Schwerpunkt auf ökologischer Nachhaltigkeit liegen (Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, ggf. auch Nutzung von nachhaltigen Materialien beim Bau) oder auch andere positive Auswirkungen aufgezeigt werden, etwa im sozialen Bereich für die Bevölkerung der betreffenden Region.

    Ansprechpartner:
    Dr. Wolfgang Kotzur, Partner und Rechtsanwalt bei Oppenhoff, wolfgang.kotzur@oppenhoff.eu, +49 69 707 968 181
    Dr. Stefanie Minzenmay, Partnerin und Rechtsanwältin bei Oppenhoff, stefanie.minzenmay@oppenhoff.eu, +49 221 2091 331